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Ein Urteil für Schmerzkranke nach Unfall

Kai-Uwe

Gesperrtes Mitglied
Registriert seit
11 März 2007
Beiträge
3,037
Hallo,
ich habe folgendes Urteil im Internet gefunden:

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Spruchkörper: 7. Zivilsenat Aktenzeichen*: 7 U 55/03 Instanzenaktenzeichen: 1 O 208/01 Instanzgericht: Landgericht Wiesbaden Gericht*: Oberlandesgericht Frankfurt am Main Entscheidungstyp*: Urteil Entscheidungsdatum*: 24.08.2005 keine Angaben zur Rechtskraft Schlagworte: Gliedertaxe; Verletzung; Invalidität; Invaliditätsgrad Normen: AUB88 7 Leitsatz: Entsteht infolge komplikationsreichen Heilverlaufs einer unfallbedingten Mittelfußfraktur eine Dysregulierung der die Nerven umgebenden Gefäße, die zur Nervenatrophie und in der Folge davon zu Kausalgien führt, ist bei der Bemessung des Invaliditätsgrades nach dem System der vereinbarten Gliedertaxe nicht auf den Sitz der eingetretenen Verletzung (= Fußwert), sondern auf den der Auswirkung der Verletzung (= Beinwert) abzustellen. Veröffentlichungen: r + s 2007, 207 Sachgebiet: Zivilrecht/Versicherungsrecht Bemerkungen:
Volltext:
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Gründe

I.
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer 1989 bei deren Rechtsvorgängerin genommenen Unfallversicherung, der die AUB 88 zugrunde liegen, auf Invaliditätsleistung wegen der Folgen eines am 5. Februar 1997 erlittenen Arbeitsunfalles in Anspruch. Beim Abladen eines LKW riss die Bordwand aus der Verankerung und fiel auf den Fuß des Klägers, der dadurch eine komplizierte Mittelfußfraktur mit Nervenschädigung erlitt. Nach dem ärztlichen Folgebericht der ...klinik O1, Dr. A vom 21. Januar 2000 gestaltete sich nach operativer Behandlung und Entfernen der Metallimplantate der Heilverlauf komplikationsreich, ohne jedoch auf unfallchirurgischen Gebiet Dauerfolgen zu hinterlassen. Auf neuropsychiatrischem Gebiet stellte der Sachverständige Dr. B der X-Klinik in O2 ein aus den unfallbedingten Verformungen des Vorfußbereichs und der intraoperativ bedingten Schädigung der Plantarnerven resultierendes erhebliches Schmerzsyndrom fest, das er mit einem Invaliditätsgrad von 1/7 Beinwert bewertete. In einem knapp 3 ½ Jahre nach dem Unfall erstatteten schmerztherapeutischen Gutachten gelangten Prof. Dr. Dr. C und Dr. D vom Klinilum der …-Universität O3 zur Feststellung,dass die Intensität des unfallbedingt entstandenen chronischen Schmerzsyndroms zwar ungewöhnlich, im Hinblick auf den neuropathischen Schmerzcharakter aber nachvollziehbar sei. Unter Einbeziehung dieses Gutachtens revidierte der Sachverständige Dr. B die Gesamtgebrauchsbeeinträchtigung auf 2/7 Beinwert. Auf dieser Grundlage rechnete die Beklagte die Invalíditätsleistung ab (22.000.- DM). Im Herbst 2001 unterzog sich der Kläger einer erneuten operativen und therapeutischen Behandlung, was jedoch nur kurzfristig zu einer Schmerzlinderung führte, weshalb die Fachärztin für Orthopädie Dr. E die Beeinträchtigung durch die bestehende kausalgieforme Schmerzsymptomatik und posttraumatische Fußdeformation mit Eversionsstellung des Vorfußes mit 3/5 bis 4/5 Beinwert einstufte.

Der Kläger behauptet, durch die mit der Fußverletzung einhergehende Nervenschädigung sei nicht nur die Gebrauchsfähigkeit des rechten Fußes, sondern die seines Beines so gravierend beeinträchtigt, dass dieses nur noch zu belastungsfreien Abstützung der Ferse tauge. Er begehrt daher Invaliditätsleistung nach 7/7 Beinwert (77.000.- DM abzüglich gezahlter 22.000.- DM = 28.121,05 €).

Die Beklagte verweist darauf, dass nach Fußverletzung lediglich eine Gebrauchsminderung des Fußes vorliege, während das Bein funktionstauglich sei und bezieht sich insoweit auf das durch die F Versicherung eingeholte Aktengutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. Zudem führt sie die Beschwerden des Klägers auf eine psychisches Fehlverarbeitung der Unfallfolgen zurück, die als psychische Beeinträchtigung gemäß § 2 Abs. 4 AUB 88 vom Versicherungsschutz nicht umfasst seien und deshalb bei der Leistungsbemessung außer Betracht zu bleiben hätten.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Es folgte hierbei dem eingeholten schmerzheilkundlichen Gutachten des Direktors der Klinik für Anästhesiologie der Universität O4 Prof. Dr. H und dessen Erläuterungen, nach denen als Folge des Unfalltraumas ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS Typ II) vorliege, das einen geordneten Ablauf der normalen Verletzungsreaktionen im Nervensystem verhindere, weshalb nicht allein auf den Fußwert, sondern den vollen Beinwert abzustellen sei. Im Grunde sei der Kläger schlimmer dran als ein schmerzfreier Beinamputierter, der in Grenzen ein normales Leben führen könne.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung hält die Beklagte daran fest, dass ausschließlich eine Fußverletzung vorliege, so dass die Invalidität bedingungsgemäß nach dem Fußwert zu bemessen sei. Insoweit erkennt die Beklagte einen Invaliditätsgrad in Höhe des vollen Fußwertes an. Dem Gutachten Prof. Dr. H sei nicht zu folgen, da dieses fälschlicherweise vom Bein- statt vom Fußwert ausgehe, entgegen § 2 Abs. 4 AUB 88 psychische Beeinträchtigungen mitberücksichtige und den Zustand zugrunde gelegt habe, der fünf Jahre nach dem Unfall bestanden habe, statt auf den maßgeblichen Zustand nach drei Jahren abzustellen.

Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen, soweit eine Verurteilung über den Betrag von 11.248,42 € hinaus erfolgt sei.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und hält die auf das überzeugende Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H gestützten Feststellungen des Landgerichts für zutreffend. Der Sachverständige habe auch den maßgeblichen Zustand bei Ablauf von drei Jahren nach dem Unfall zugrunde gelegt, da dieser mit den zwei Jahre später erhobenen Befunden identisch gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat nach Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. H weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines schmerzheilkundlichen Gutachtens. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. I vom 21. Juni 2004 sowie dessen mündliche Erläuterung vom 20. Juli 2005 verwiesen.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Berufung der Beklagten hat in Sache teilweise Erfolg, denn dem Kläger steht wegen des Unfallgeschehens vom 5. Februar 1997 eine restliche Invaliditätsleistung von lediglich 16.872,65 € zu.
Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger bei dem Unfall nicht nur eine komplizierte Mittelfußfraktur mit komplikationsreichem Heilverlauf erlitten, sondern auch ein chronisch-regionales Schmerzsyndrom nach abgelaufener Algodystrophie im Bereich des rechten Fußes bis oberhalb des Sprunggelenkes davongetragen hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei diesem Schmerzsyndrom nicht um eine dem Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 4 AUB 88 unterfallende krankhafte Störung infolge psychischer Reaktion bzw. psychischer Fehlverarbeitung, sondern um eine unfallbedingt eingetretene pathologische Nervenschädigung, die nach den einleuchtenden und überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen Dr. I nach einer wie beim Kläger vorgenommenen Eingipsung als Dysregulierung der die Nerven umgebenden kleinen Gefäße entstehen und zur Nervenatrophie und in der Folge davon zu Kausalgien führen kann und deshalb in die Bemessung des Invaliditätsgrades einzubeziehen ist. Hierbei ist nach dem System der in § 7 Abs. 1 Nr. 2 AUB 88 vereinbarten Gliedertaxe nicht auf den Sitz der eingetretenen Verletzung, sondern auf den Sitz der Auswirkung der Verletzung abzustellen (vgl. Grimm, Unfallversicherung, 3. Aufl. § 7 AUB Rn 21).
Danach ist der Invaliditätsgrad dem Beinwert zu entnehmen, denn nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen Dr. I beschränkt sich die Funktionsbeeinträchtigung nicht auf den von der Unfallverletzung betroffenen rechten Fuß, sondern erstreckt sich als Auswirkung des chronischen Schmerzsyndroms auf die Gebrauchsfähigkeit des rechten Beines. Wie schon der Sachverständige Prof. Dr. H in seinem Gutachten vom 7. August 2002 sowie bei seiner Anhörung vor dem Senat einleuchtend dargelegt hat, wirken sich auch nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. I die mit der Kausalgie einhergehenden Schmerzzustände insofern auf die Gebrauchsfähigkeit des Beines aus, als der Kläger infolge der extremen Berührungsempfindlichkeit zu alltäglichen Aktivitäten wie Sport, Laufen, Fahrrad fahren oder spazieren gehen nicht mehr in der Lage ist, sondern auch kleinere Gehstrecken nur mit Gehhilfen zurücklegen kann. Es leuchtet deshalb ein, wenn der Sachverständige Dr. I den Kläger einem Unterschenkelamputierten gleichstellt, der nach Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. H sogar besser stünde, weil er mit einer entsprechenden Prothese ein immerhin weitgehend schmerzfreies und in Grenzen normales Leben führen könne. Zwar hat der Sachverständige I diese Feststellungen erst nach mehr als sieben Jahre nach dem Unfallgeschehen getroffen, doch entsprechen die Befunde denen im Jahre 2000, da – worauf der Sachverständige bei seiner Anhörung ausdrücklich hingewiesen hat - bei derartigen Schmerzzuständen grundsätzlich davon ausgegangen werden muss, dass sie sich im Laufe der Zeit nicht mehr verändern. An der Sachkunde des Sachverständigen Dr. I zu zweifeln besteht kein Anlass, da er als Leiter des größten Amputationszentrums in ... in den letzten vier Jahren an die 20- bis 30.000 invasive Schmerztherapien vorgenommen hat und somit auf diesem Gebiet über die notwendigen Fachkenntnisse und eine ausgedehnte Praxis verfügt.

Entgegen der durch das Gutachten Prof. Dr. H gestützten Auffassung des Klägers kann jedoch nicht von einem Invaliditätsgrad nach dem vollen Beinwert (70 %) ausgegangen werden, denn insoweit ist dem Kläger eine Restfunktion des rechten Beines verblieben. Der Sachverständige Dr. I hat aufgrund des von ihm analysierten Gangbildes des Klägers festgestellt, dass dieser in der Lage ist, nicht nur die Ferse belastungsfrei aufzusetzen, sondern den Außenrist des Fußes belasten und diesen über den 5. Strahl abzurollen. Die Richtigkeit dieser Feststellung sah der Sachverständige bestätigt durch die im Bereich des 5. Strahls vorhandene, den Einsatz des Fußes belegende Beschwielung und die nur geringe Verschmächtigung des Beinmuskelumfanges, die wesentlich deutlicher zu erwarten gewesen wäre, wenn der Kläger über einen Zeitraum von über sieben Jahren den Fuß nicht belastet hätte. Dies rechtfertigt die Einordnung nach einem proximal amputierten Unterschenkel, so dass sich unter Einbeziehung der vom Sachverständigen festgestellten weiteren funktionalen Störungen z. B. in der Sexualität, der verminderten Belastbarkeit sowie der Auswirkungen der extremen Berührungsempfindlichkeit und des Schmerzzustandes auf die Lebensgestaltung des Klägers ein Invaliditätsgrad von 50 % ergibt.
Dies entspricht bei einer Versicherungssumme von 110.000.- DM einer Invaliditätsleistung von 55.000.- DM, so dass unter Berücksichtigung der vorprozessual gezahlten 22.000.- DM eine restliche Invaliditätsleistung von 33.000.- DM oder umgerechnet 16.872,63 € zuzusprechen war. Hinsichtlich des Zinsanspruchs wird auf die mit der Berufung nicht angegriffene Begründung des angefochtenen Urteils verwiesen.

Dem Grade des beiderseitigen Unterliegens folgt die Kostenentscheidung § 92 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Entscheidung weder eine grundsätzliche Bedeutung zukommt noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Da die Voraussetzungen hierzu vorlagen, konnte die Entscheidung durch den Einzelrichter ergehen (§ 524 Abs. 4 ZPO).
Datei: 07u05503.pdf Erfassungsdatum: 24.01.2006

Ich denke damit können auch andere (ich auch:D) etwas anfangen.

Lieben Gruß
Kai-Uwe
 
hallo kai-uwe
echt toller beitrag :)
lg finchen
 
:) Von mir auch ganz lieben vielen Dank, finde ich auch sehr interessant !;)
 
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