Grüß Euch alle hier!
Vielen Dank für das nette Lob über meine „Schreibe". Das liegt ganz einfach daran, dass ich eine so unverschämt-diebische Freude habe, wenn ich Leuten etwas erkläre: und dann kommt zu ein Leuchten in den Augen, "ach so geht das also! - hat mir bis jetzt aber auch keiner erklären können!" Da kommt bei mir ein ganz dreckiges Grinsen ins Gesicht! Nun....ich bin der Sohn meines Vaters. Der war Menntaskólakennari (= isländisch für: "Lehrer an einem Gymasium"). Sohn oder Tochter ist man dann nicht ungestraft. Ein Hoch auf meinen Vater!
01
Es geht er jetzt hin und her wegen der „Abzüge Nettolohn“. Der Versuch ist ja alt: Wegen angeblicher Ersparnisse 10 % abzuziehen, weil man ja nicht mehr berufstätig ist und dadurch angeblich Geld spart.
(a)
Gelegentlich behaupten Versicherungen, der Geschädigte müsse beweisen, dass er keine 10 % seines Einkommens auf diese Art und Weise gespart habe. Das ist falsch:
(b)
Ich kenne kein einziges Urteil, dass diese These gefolgt werden.
(c)
Dafür kenne ich 2 BGH-Urteile, die sagen: die Voraussetzungen für einen Abzug muss der Versicherer beweisen (BGH NJW 85/1539 und BGH NJW 15/468). Genauso sagt es der führenden Kommentar des BGB (Palandt, Vorbemerkung zu § 249 BGB, Rn. 75).
Das wundert mich nicht. Denn es entspricht einem Grundsatz: „Jeder muss die Elemente der Schadensberechnung beweisen, die für ihn vorteilhaft sind".
(d)
Anderer Meinung ist Küppersbusch/Höher, Ersatzansprüche bei Personenschäden, Rn. 79. Diese beiden Autoren machen etwas ganz gefährliches, bitte aufpassen, lasst Euch nicht reinlegen:
(da)
ich hatte weiter oben einmal erklärt, dass der Geschädigte im Prozess ganz genau vortragen muss, wieso er sich nichts oder nur wenig erspart hat:
Wieso er für die Fahrt in die Arbeit kaum Geldausgaben hatte, wieso er auch für Arbeitskleidung keine zusätzlichen Kosten hatte, weshalb er auch für die Verpflegung nicht mehr ausgeben musste, und wieso er keine Zweitwohnung wegen des Berufes hatte.
(db)
Eigentlich müsste das der Versicherer darlegen. Da kommt das Prozessrecht aber dem Versicherer entgegen. Man sagt, der Versicherer habe von Deinem privaten Leben keine Ahnung, das stimmt ja auch. Dafür hättest Du die Möglichkeit, leicht vorzutragen, wie das mit Deinen Arbeitsaufwendungen gewesen ist. Auch das stimmt.
In solchen Lebenslagen dreht sich die Aufgabe um, dem Gericht zu sagen, wie es war. Das hat einen Namen: "Sekundäre Darlegungslast". Du hast also die sekundäre Darlegungslast, dem Gericht haarklein zu berichten, wieso es mit den "10 % berufsbedingte Ersparnisse" in Deinem Fall nichts ist.
(dc)
Jetzt kommt's: Es ist selten, dass Juristen mit der Sprache schlampig umgehen, aber viele Juristen nennen die sekundäre Darlegungslast falsch: „sekundäre Beweislast“. Dieser Irrtum kommt immer wieder vor, aber:
Bei Lebenslagen der sekundären Darlegungslast wechselt die Aufgabe, vorzutragen, wie Deine Lebensverhältnisse sind, zu Dir über.
Die Beweislast aber, und das ist ganz wichtig: Die Beweislast bleibt dort, wo sie nach allgemeinen Regeln war, und das ist bei der Versicherung.
Das heißt:
Du hast also im Prozess genau erzählt, wieso bei Dir kaum was an berufsbedingten Ersparnissen da war.
Wenn die Versicherung mit ihrem Abzug doch noch auf einen grünen Zweig kommen will, dann muss die Versicherung nach Deinem Bericht, wie es wirklich war jetzt beweisen, dass Du doch mehr erspart hast. Das ist entschieden vom BGH NJW 12/3774; so sagt es auch Zöller, ZPO-Kommentar, vor § 284 ZPO, Rn. 34). Zöller ist ein sehr angesehener Kommentar der ZPO.
Also ist die Ansicht von Küppersbusch/Höher falsch, auch die Beweislast sei auf Dich übergegangen. Das ist nichts als der Versuch, eine leider verbreitete Sprachschlamperei auszunutzen, um einen Irrtum unterzubringen. Küppersbusch war Prokurist einer Versicherung. Ist es dann ein Wunder, was er dann schreibt?
(dd)
Daraus folgt für Dein Verhalten im Prozess:
I
Spare nicht an Worten, wenn Du erklären willst, wieso Du speziell Dir nichts gespart hast. Oder viel weniger, als die Versicherung glaubt.
II
Weise darauf hin, dass die Darlegungslast gewechselt hat, aber nicht die Beweislast, und geize nicht mit Tinte, wenn es darum geht zu erklären, wo der BGH hat das auch schon gesagt hat. Denn wenn der BGH eine Frage entschieden hat, sind die Richter zwar nicht gezwungen, der gleichen Meinung zu sein, aber in 99,9 % folgen Sie den Ansichten des BGH, weil dadurch Rechtssicherheit entsteht. Es ist besser vorhersagbar, was passiert.
III
Weise darauf hin: OLG Urteile, die es anders sagen, beruhen darauf, dass der dortige Kläger nichts vorgetragen hat! Hier sei es ganz anders, Du hättest ja vorgetragen.
Deshalb seien diese OLG Urteile alle nicht einschlägig für diesen Fall. Bitte nicht schlampern beim Denken!
IV
Lerne daraus etwas: es ist völlig sinnlos, bei Einwendungen der Gegenseite zu tun, als wären sie nicht da. Die Gegenseite vergisst sie nicht. Tu nicht so, als sei der Stier nicht in der Arena, das bekommt Dir als Stierkämpfer nicht. Pack den Stier bei den Hörnern! Du wirst staunen, wie lammfromm das Vieh auf einmal wird.
02
Ein ganz modernes Thema ist das sogenannte Arbeitsmarktrisiko. Auch damit werden tüchtige Abzüge vom entgangenen Lohn gefordert. Ganz ähnlich, wie beim Abzug wegen berufsbedingter, jetzt ersparter Aufwendungen.
Wer von Euch hat damit zu tun? Wem ist er schon entgegengehalten worden? Habt ihr Erfahrungen damit? Das würde ich nämlich einmal gern diskutieren.
ISLÄNDER