Hallo,
Die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Hessen Frau Anne-Kathrin Deppermann-Wöbbeking war am 24.10.2017 bei der Arbeitsgemeinschaft "Sozialmedizin und Begutachtungsfragen der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie zu Besuch.
Dort referierte sie zum Thema „Der medizinische Sachverständige und sein Gutachten – Anforderungen aus sozialrichterlicher Sicht“.
Aus dem Protokoll dieser Sitzung möchte ich hier zitieren:
"Die rechtlichen Anforderungen und Erwartungen an den gerichtlichen Sachverständigen korrespondieren mit der Pflicht des Gerichts zur Sachentscheidung in angemessener Frist. Das neue, seit Oktober 2016 geltende Recht zum Sachverständigenbeweis bringt insbesondere unter dem Aspekt der Beschleunigung des Gerichtsverfahrens Neuerungen.
Nach Auftragserteilung ist durch den Sachverständigen gemäß § 118 SGG i. V. m. § 407a Abs. 1 ZPO „unverzüglich“ zu prüfen, ob der Auftrag in sein Fachgebiet (Kompetenz) fällt und ob ggf. die Einholung eines Zusatzgutachtens erforderlich ist. Ggf. ist die Verständigung des Gerichts erforderlich. Unverzüglich ist ebenfalls zu prüfen, ob die nötige Distanz zum Probanden besteht. Nach § 407a Abs. 2 ZPO in aktueller Fassung kann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, sofern Befangenheitsgründe nicht unverzüglich mitgeteilt werden. Unverzüglich zu prüfen hat der Sachverständige zudem, ob er die Erstattung des Gutachtens in der im Auftrag gesetzten Frist realisieren kann. Die Fristsetzung ist nach neuem Recht nunmehr für das Gericht obligatorisch (§ 411 Abs. 1 ZPO). Ggf. ist mit dem Gericht eine Fristverlängerung abzusprechen. Bei Versäumung der Frist kann ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 3000 € festgesetzt werden.
In einem weiteren Schritt hat der Sachverständige zu prüfen, ob der Auftrag klar und vollständig ist. Wichtig ist die Kontaktaufnahme mit dem Gericht, sofern Unklarheiten bestehen oder relevante Informationen fehlen, denn dem Gericht obliegt die Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen (§ 404a Abs. 1 ZPO). Dieser darf nicht eigenständig Tatsachen ermitteln oder Befunde beiziehen, dies kann ihm aber durch das Gericht eingeräumt werden.
Vor der Begutachtung wird ein gründliches Studium der Akten zur Vorbereitung, erwartet. Hält der Sachverständige für die Untersuchung z. B. die Hinzuziehung eines Dolmetschers oder eine Fremdanamnese für erforderlich, ist dies wiederum mit dem Gericht zu klären. Hilfreich ist die Benachrichtigung des Gerichts von dem geplanten Untersuchungstermin, z. B. durch Übersendung der Einladung. So ist das Zeitfenster transparenter und Sachstandsnachfragen erübrigen sich. Während der Untersuchung ist es Ziel, Akzeptanz des Probanden zu erreichen und Befangenheitsvorwürfe zu vermeiden.
Das schriftliche Gutachten sollte durch Vollständigkeit, Sachlichkeit, rationale Argumentation (keine Spekulationen), klare Antworten auf Beweisfragen und durch eine klare und verständliche Sprache überzeugen. Rechtsbegriffe sind korrekt zu verwenden; ein Übergriff auf rechtliche Fragen sollte indes nicht erfolgen. Seinen Eindruck von dem Probanden sollte der Sachverständige sachlich, neutral und transparent wiedergeben, z. B. durch die Darstellung von Verhaltensmustern.
Aus sozialrichterlicher Sicht sollte sich der medizinische Sachverständige auszeichnen u. a. durch Kompetenz auf seinem Fachgebiet, Informiertheit im Hinblick auf den aktuellen wissenschaftlicher Erkenntnisstand sowie auch im Hinblick auf rechtliche Mindestkenntnisse, ein gefestigtes Rollenverständnis, Schnelligkeit sowie durch die Bereitschaft zur Kommunikation mit dem Gericht."
Nun kann jeder, der sozialrechtlich begutachtet wird das Verhalten an diesen Aussagen einer Vorsitzenden Richterin eines Landessozialgerichts messen.
Gruß von der Seenixe
Die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Hessen Frau Anne-Kathrin Deppermann-Wöbbeking war am 24.10.2017 bei der Arbeitsgemeinschaft "Sozialmedizin und Begutachtungsfragen der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie zu Besuch.
Dort referierte sie zum Thema „Der medizinische Sachverständige und sein Gutachten – Anforderungen aus sozialrichterlicher Sicht“.
Aus dem Protokoll dieser Sitzung möchte ich hier zitieren:
"Die rechtlichen Anforderungen und Erwartungen an den gerichtlichen Sachverständigen korrespondieren mit der Pflicht des Gerichts zur Sachentscheidung in angemessener Frist. Das neue, seit Oktober 2016 geltende Recht zum Sachverständigenbeweis bringt insbesondere unter dem Aspekt der Beschleunigung des Gerichtsverfahrens Neuerungen.
Nach Auftragserteilung ist durch den Sachverständigen gemäß § 118 SGG i. V. m. § 407a Abs. 1 ZPO „unverzüglich“ zu prüfen, ob der Auftrag in sein Fachgebiet (Kompetenz) fällt und ob ggf. die Einholung eines Zusatzgutachtens erforderlich ist. Ggf. ist die Verständigung des Gerichts erforderlich. Unverzüglich ist ebenfalls zu prüfen, ob die nötige Distanz zum Probanden besteht. Nach § 407a Abs. 2 ZPO in aktueller Fassung kann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, sofern Befangenheitsgründe nicht unverzüglich mitgeteilt werden. Unverzüglich zu prüfen hat der Sachverständige zudem, ob er die Erstattung des Gutachtens in der im Auftrag gesetzten Frist realisieren kann. Die Fristsetzung ist nach neuem Recht nunmehr für das Gericht obligatorisch (§ 411 Abs. 1 ZPO). Ggf. ist mit dem Gericht eine Fristverlängerung abzusprechen. Bei Versäumung der Frist kann ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 3000 € festgesetzt werden.
In einem weiteren Schritt hat der Sachverständige zu prüfen, ob der Auftrag klar und vollständig ist. Wichtig ist die Kontaktaufnahme mit dem Gericht, sofern Unklarheiten bestehen oder relevante Informationen fehlen, denn dem Gericht obliegt die Leitung der Tätigkeit des Sachverständigen (§ 404a Abs. 1 ZPO). Dieser darf nicht eigenständig Tatsachen ermitteln oder Befunde beiziehen, dies kann ihm aber durch das Gericht eingeräumt werden.
Vor der Begutachtung wird ein gründliches Studium der Akten zur Vorbereitung, erwartet. Hält der Sachverständige für die Untersuchung z. B. die Hinzuziehung eines Dolmetschers oder eine Fremdanamnese für erforderlich, ist dies wiederum mit dem Gericht zu klären. Hilfreich ist die Benachrichtigung des Gerichts von dem geplanten Untersuchungstermin, z. B. durch Übersendung der Einladung. So ist das Zeitfenster transparenter und Sachstandsnachfragen erübrigen sich. Während der Untersuchung ist es Ziel, Akzeptanz des Probanden zu erreichen und Befangenheitsvorwürfe zu vermeiden.
Das schriftliche Gutachten sollte durch Vollständigkeit, Sachlichkeit, rationale Argumentation (keine Spekulationen), klare Antworten auf Beweisfragen und durch eine klare und verständliche Sprache überzeugen. Rechtsbegriffe sind korrekt zu verwenden; ein Übergriff auf rechtliche Fragen sollte indes nicht erfolgen. Seinen Eindruck von dem Probanden sollte der Sachverständige sachlich, neutral und transparent wiedergeben, z. B. durch die Darstellung von Verhaltensmustern.
Aus sozialrichterlicher Sicht sollte sich der medizinische Sachverständige auszeichnen u. a. durch Kompetenz auf seinem Fachgebiet, Informiertheit im Hinblick auf den aktuellen wissenschaftlicher Erkenntnisstand sowie auch im Hinblick auf rechtliche Mindestkenntnisse, ein gefestigtes Rollenverständnis, Schnelligkeit sowie durch die Bereitschaft zur Kommunikation mit dem Gericht."
Nun kann jeder, der sozialrechtlich begutachtet wird das Verhalten an diesen Aussagen einer Vorsitzenden Richterin eines Landessozialgerichts messen.
Gruß von der Seenixe