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Der Anspruch auf eine angemessene Schadensregulierung

Joker

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Registriert seit
2 Sep. 2006
Beiträge
1,301
Ort
am Rhein
Hallo,

ich wurde auf ein höchst interessantes Dokument aufmerksam gemacht: "Der Anspruch auf eine angemessene Schadensregulierung" von Prof. Dr. Schwintowski, download hier.

Anbei einfach mal ein paar Zitate zum ersten Eindruck:
Das rohe, rücksichtslose, auf Zermürbung eines körperlich und seelisch schwer getroffenen Geschädigten zielende Verhalten einer Haftpflichtversicherung, die jahrelang, hartnäckig jegliche Schmerzensgeldzahlung verweigert, beinhaltet folglich eine Persönlichkeitsrechtsverletzung und nicht nur – wie bisher fälschlicherweise angenommen wird – einen Umstand, der sich schmerzengelderhöhend auswirkt.65

(...)

2. Die schwerwiegende Beeinträchtigung des Anspruchs auf angemessene, faire Schadensregulierung

Es ist seit langem anerkannt, dass Haftpflichtversicherer verpflichtet sind, die Schadensregulierung von sich aus zu fördern und angemessene Abschlagszahlungen zu leisten, sobald ihre Einstandspflicht bei verständig-lebensnaher, objektiver Betrachtungsweise erkennbar wird. Verstoßen sie hiergegen unter Verletzung von Treu und Glauben in der Weise, dass dies auf den Geschädigten als ein Zermürbungsversuch wirken kann, so sind die Gerichte nach Gesetz und Verfassung dazu verpflichtet, einem Missbrauch wirtschaftlicher Macht entgegenzuwirken.70 Stellt sich der Haftpflichtversicherer des Schädigers in nicht mehr verständlicher und in
hohem Maße tadelnswerter Weise dem berechtigten Entschädigungsverlangen des Geschädigten entgegen, so muss dies berücksichtigt werden.71

In ähnlicher Weise haben das OLG Köln72, das OLG Naumburg73, das OLG Düsseldorf74, das OLG Nürnberg75, das OLG Karlsruhe76 und das OLG München77 entschieden. Am 19.03.2004 hat das Landgericht Dortmund ent-
schieden, dass das rohe, rücksichtslose, auf Zermürbung eines körperlichen und seelisch schwer getroffenen Geschädigten abzielende Verhalten einer Haftpflichtversicherung, die jahrelang, hartnäckig jegliche Schmerzensgeldzahlung verweigert, sich schmerzensgelderhöhend
auswirkt.78

So wie das Landgericht Dortmund haben alle oben zitierten Gerichte entschieden, dass sich das grobe Fehlverhalten eines Schadenregulierers im Zweifel schmerzensgelderhöhend auswirkt. Diese Begründung ist dogmatisch nicht überzeugend, da sie übersieht, dass es in den Fällen der grob rücksichtslosen auf Zermürbung eines Geschädigten gerichteten Schadensregulierung in Wahrheit um die Verletzung des Anspruches auf angemessene faire Schadensregulierung, und zwar in besonders grober Weise und damit letztlich um die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts geht. Andernfalls könnte es nämlich sein, dass ein Regulierer, der – wie wohl im Fall Meili - rücksichtslos und auf Zermürbung gerichtet einen reinen Sach-
schaden reguliert, wegen des daraus resultierenden ideellen Schadens nicht in Anspruch genommen werden kann, weil die Voraussetzungen von § 253 Abs. 2 BGB, also die Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung nicht vorliegen. Tatsächlich passt der Anspruch auf Schmerzensgeld auch nicht auf die Fälle des rücksichtslosen, auf Zermürbung gerichteten Regulierungsverhaltens. Der vom BGH für die vor-
sätzliche Verletzung entwickelte Grundsatz, dass bei der Bemessung der Entschädigung aus Gründen der Prävention auch der vom Schädiger erzielte oder angestrebte (Regulierungs-)Gewinn zu berücksichtigen ist, gilt nämlich nur bei der Verletzung von Persönlichkeitsrechten.79

Bei Verletzung der durch § 253 Abs. 2 BGB geschützten Rechtsgüter ist eine präventive Wirkung des Schmerzensgeldes nur eine – wenn auch durchaus erwünschte – Nebenfolge des Schmerzensgeldes.80 Dogmatisch ließe sich der Anspruch auf Ersatz des durch grobrücksichtslose, auf Zermürbung des Geschädigten gerichtete Schadensregulierung auch aus der Verletzung der Pflicht zur angemessenen, fairen Schadensregulierung (§§249, 241, 242, 280 BGB) und aus §§ 826, 249 BGB herleiten. Entscheidend ist in allen Fällen die Erkenntnis, dass eine grob rücksichtslose, auf Zermürbung des Geschädigten gerichtete Schadensregulierung jedenfalls dann einen Eingriff in das von Art. 1 GG geschützte Allgemeine Persönlichkeitsrecht darstellt, wenn es dem Regulierer ersichtlich um die Erzielung von Regulierungsgewinnen geht.

Insoweit sind die hier gemeinten Fälle in ihrem rechtsethischen Unrechtsgehalt den Eingriffen in Persönlichkeitsrechte vergleichbar, die seit dem Jahre 1954 bis heute zur Caroline-von-Monaco-Doctrin81 geführt haben.

70 OLG Karlsruhe, NJW 1973, 851.
71 OLG Frankfurt a.M., NJW 1999, 2447.
72 NJW-RR 2002, 962.
73 VersR 2002, 1569.
74 NVersZ 2000, 40.
75 VersR 1998, 732 sowie NJW-RR 1998, 1040 sowie VersR 1997, 1108.
76 VersR 1992, 370.
77 NZV 1993, 434.
78 AZ: 6 O 218/01.
79 BGH NJW 1995, 861, 2000, 2195 – so bereits BGH NJW 1961, 2059.
80 Palandt-Heinrichs, BGB-Komm., 64. Aufl., § 253, Rn. 10.

(Hervorhebungen von mir)

Bislang waren wir immer nur entsetzt, dass Promis für Fotos in Klatschzeitschriften höhere Schmerzensgelder erhalten als Unfallopfer mit lebenslangen gesundheitlichen Einschränkungen. Prof. Schwintowski bereitet hier die Brücke, wie nicht regulierenden Versicherungen ebenfalls der Zahn gezogen werden könnte.

Jetzt gilt es nur noch die Justiz zu überzeugen :D

... und nachdem bei Berufsgenossenschaften/Sozialgerichten Regulierungsdauern von 10 Jahren plus ja auch keine Seltenheit sind, mache ich mir gerade warme Gedanken wie man die BG'en wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte verklagen kann :D:p:D Für Anregungen bin ich jederzeit offen...

Gruß
Joker
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Joker,
danke für diesen interessanten Beitrag.
Bei mir funktioniert der Link.

Gruß
Ironman13/08
 
Hallo,
auch von mir ein Danke für den Link.
Und ... auch an diesem Ende des Internets funktioniert der Link.

Grüße
oohpss
 
Fairerweise - danke an Joker :D

Die Probleme lagen an meinem Downloadprogi - es hat die mitgelieferten Schriften nicht uebertragen - und so konnte das Anzeigeprogramm natuerlich auch nicht richtig anzeigen ..... Sachen gibt´s - tsss

Aber jetzt: Alles im Lot auf dem Riverboat ...... ;)
 
Hallo Joker,

der Prof ist gut :) ..... bei der Sammelklage FÜR die Persönlichkeitsrechte mache ich mit

Herzblut
 
Jetzt gilt es nur noch die Justiz zu überzeugen :D

... und nachdem bei Berufsgenossenschaften/Sozialgerichten Regulierungsdauern von 10 Jahren plus ja auch keine Seltenheit sind, mache ich mir gerade warme Gedanken wie man die BG'en wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte verklagen kann :D:p:D Für Anregungen bin ich jederzeit offen...


Hallo, gut recherchiert. Vielleicht geht's hier weiter:

Verletzung des Rechts auf Verfahrensbeschleunigung durch das Bundesverfassungsgericht und den Bundesgerichtshof

808. EGMR Nr. 45749/06 und Nr. 51115/05 – Urteil vom 22. Januar 2009

auf http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/archiv/09-10/index.php

Dazu
Europäische Menschenrechtskonvention

Artikel 6 - Recht auf ein faires Verfahren
(1) Jede Person hat ein Recht darauf, daß über Streitigkeiten in bezug auf ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen oder über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage von einem unabhängigen und unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.


Gruß

Sekundant
 
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