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"BSG-Krankengeld-Falle" - endlich die Sensation !

VdK in verantwortlicher Rolle !

zur Info - der Brief an die VdK-Präsidentin

Gruß!
Machts Sinn



Krankengeld: BSG-Termin am 04.03.2014


Sehr geehrte Frau Mascher,

nach Ihren Forderungen zu Rechtsänderungen in diesem Zusammenhang dürfte Sie interessieren, dass am Faschingsdienstag, 04.03.2014, beim Bundessozialgericht dieser vom VdK vertretene Fall auf der Tagesordnung steht:

2) 10.45 Uhr - B 1 KR 17/13 R - R. S. ./. AOK Baden-Württemberg

Die Klägerin war bei der beklagten Krankenkasse als Beschäftigte pflichtversichert. Am 28.9.2010 stellte die Ärztin M.-W. bei ihr AU bis 24.10.2010, einem Sonntag, fest. Das Beschäftigungsverhältnis endete am 30.9.2010. Am 25.10.2010 bescheinigte die Ärztin M.-W. der Klägerin AU bis auf Weiteres. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Krg bis 24.10.2010, lehnte es aber ab, ihr Krg für die Folgezeit zu zahlen, weil sie ab 25.10.2010 nicht mehr mit Anspruch auf Krg versichert gewesen sei. Das SG hat die Beklagte verurteilt, Krg zu gewähren. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zwar entstehe der Krg-Anspruch, der den Versicherungsschutz in Form der Mitgliedschaft erhalte, erst am Tag nach ärztlicher AU-Feststellung (§ 46 S 1 Nr 2 SGB V). Zu diesem Zeitpunkt habe auch nur noch eine Versicherung durch den Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) bestanden mit der Folge, dass der Anspruch auf Krg ruhe. Es liege aber ein Ausnahmefall vor, in dem die unterbliebene ärztliche Feststellung der AU rückwirkend nachgeholt werden könne, weil bei länger andauernder AU der Versicherte darauf aufmerksam zu machen sei, rechtzeitig vor dem Ende der letzten bescheinigten AU erneut vorzusprechen, damit ggf die Fortdauer der AU festgestellt und bescheinigt werden könne.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 46 S 1 Nr 2 und des § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V.

SG Mannheim - S 9 KR 1340/11 -
LSG Baden-Württemberg - L 4 KR 284/12 –


Fundstelle BSG
http://juris.bundessozialgericht.de...ent.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2014&nr=13307

Dazu möchte ich Ihnen meine Verwunderung über diesen Satz im Urteil des LSG BW vom 31.8.2012, L 4 KR 284/12, ausdrücken:

„Mit Bescheid vom 19. Oktober 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin hierauf Krankengeld für die Zeit vom 01. bis 24. Oktober 2010 in Höhe eines täglichen Krankengelds von EUR 47,30.“

Es ist kaum vorstellbar, dass gerade eine AOK schon im Jahr 2010 derartig ungewöhnliche – abschnittsweise befristete – Bescheide erteilt hat, als noch viele Krankenkassen bescheidlose Überweisungen vornahmen und andere nur den Leistungsbeginn mitteilten.

Sollte das LSG hier also das Ergebnis einer vorgezogenen stillschweigenden Subsumtion entsprechend der BSG-Rechtsprechung zur „typischerweise-abschnittsweise-Krankengeldgewährung“ eingebaut haben, obwohl der Bewilligungsbescheid nicht ausdrücklich auf den 24.10.2010 befristet war, dürfte sich für den Terminsvertreter vor dem BSG der Einwand aufdrängen, dass die Qualität des Verwaltungsaktes lt. BSG-Urteil vom 22.03.2005, B 1 KR 22/04 R, im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln ist und sich danach als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erweisen dürfte, der durch die Ablehnung für die Zeit ab 25.10.2010 weder aufgehoben noch zurückgenommen wurde; auch eine diesbezügliche Umdeutung der Ablehnung scheidet aus.

Im Übrigen wird ausdrücklich auf den Aufsatz des SGG-Kommentators und LSGRi Wolfgang Keller „Die rechtzeitige ärztliche Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für weiteres Krankengeld“ sowie auf die Urteile der SG Trier vom 24.04.2013, S 5 KR 77/12, Mainz vom 24.09.2013, S 17 KR 247/12 und Speyer vom 22.11.2013, S 19 KR 600/11, verwiesen.

Da das SGB X vor über 33 Jahren in Kraft getreten ist, sollte die Ära nun zu Ende gehen, in der es zum guten Ton der Zusammenarbeit von Organen der Rechtspflege bei der Sozialrechtsprechung gehörte, entgegen § 31 SGB I den Dritten Abschnitt des SGB X zum Verwaltungsakt und damit zum Vertrauensschutz insgesamt zu negieren und dies als Organisation zur Vertretung von Versicherten-Interessen stillschweigend hinzunehmen. Rechtsänderungen bedarf es dafür nicht; sie könnten aber hilfreich sein, die bisherigen Machenschaften der Vergangenheit zuzuweisen; nach dem Auszug der FDP aus dem Bundestag dürfte es die dafür erforderliche Mehrheit nun geben.

Ergänzend beziehe ich mich auf div. Threads in ‚Sozial-Krankenkassen-Gesundheitsforum » Forum » GKV - gesetzliche Krankenkassen » Krankengeld, Infos und Fragen zum Krankengeld‘:http://www.sozial-krankenkassen-gesundheitsforum.de/index.php/Board/13-Krankengeld/ .

Auch dieses Schreiben wird dort eingestellt.

Mit freundlichen Grüßen
Machts Sinn (Pseudonym)
 
Hallo Machts Sinn,

vielen Dank für diesen Hinweis. Ich finde diese Sache sehr wichtig und wir müßen sehen, wie unser höchstes Sozialgericht damit umgeht. Aber allein das Ansinnen der Krankenkasse ist schon sehr "krank" und ich hoffe, dass das Gericht dies ebenso sieht.

Gruß von der Seenixe
 
Der K(r)ampf geht weiter!

Stolperfalle beim Krankengeld nach gekündigtem Arbeitsverhältnis

Dienstag, 4. März 2014

Kassel – Wer am Ende eines auslaufenden Arbeitsverhältnisses krank wird, muss aufpassen, um seinen Anspruch auf Krankengeld zu wahren. Eine Folgebescheinigung der Arbeitsunfähigkeit muss dann immer schon vor Auslaufen der vorausgehenden Bescheinigung ausgestellt sein, entschied heute das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Eine direkte Folge der Bescheinigungen reicht nicht aus. (Az: B 1 KR 17/13 R)

Im Streitfall lief das Arbeitsverhältnis Ende September 2010 aus. Zwei Tage vorher, am 28. September, wurde die Noch-Arbeitnehmerin bis zum 24. Oktober 2010, einem Sonntag, krankgeschrieben. Erst am folgenden Montag war die Ärztin aus ihrem Urlaub zurück und bescheinigte erneut Arbeitsunfähigkeit „bis auf Weiteres“.

Weil nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses kein Anspruch auf Lohnfortzahlung mehr bestand, bewilligte die Krankenkasse Krankengeld bis 24. Oktober 2010. Für die Folgebescheinigung ab 25. Oktober wollte sie aber kein Krankengeld mehr zahlen.

Zu Recht, wie nun das BSG entschied. Die Klägerin sei nach Auslaufen der ersten Bescheinigung arbeitslos und daher nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Das Gesetz verlange in solchen Fällen, dass eine Folgebescheinigung vor dem Ende der vorangehenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt wird. Das gelte auch dann, wenn wie hier der letzte Tag der vorangehenden Bescheinigung auf einen Sonntag fällt.
Fundstelle Deutsches Ärzteblatt
Deutsches Ärzteblatt: Stolperfalle beim Krankengeld nach gekündigtem Arbeitsverhältnis

Ob der VdK da wohl alle wichtigen Argumente eingebracht hat?

Vielleicht bemüht mal jemand das Bundesverfassungsgericht! Der Zufall ob die AUB wegen Vorgaben der AOK befristet statt gleich "bis auf Weiteres" ausgestellt ist, kann nicht zu derartigen Ergebnissen führen:

Frist versäumt: Krankengeld fristlos gestrichen | Chorweiler*- Kölner Stadt-Anzeiger

Gruß!
Machts Sinn
 
Hallo Machs Sinn,

finde das Urteil schon krass, aber man sollte grundsätzlich den Arzt darum bitten,
die AU über die Feiertage und Wochenende auszustellen.
Man weiß ja nie was am WE so passieren kann.

Man sollte die Ärzte darauf hinweisen z.b. in der Ärztezeitung.
Auch die Kassenärztliche Vereinigung könnte den Ärzten das mitteilen.
 
Terminsbericht

Hier der Terminsbericht zum Urteil des BSG in unserem Namen:

2) Der Senat hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht für die Zeit vom 25.10. bis 29.11.2008 kein Krg-Anspruch zu, der über das gezahlte Alg hinausgeht. Die Klägerin erhielt nämlich ihre Versicherung aufgrund ihrer früheren Beschäftigung nicht über den 24.10.2008 hinaus durch einen Anspruch auf Krg aufrecht. Sie ließ ihre AU nämlich nicht vor Ablauf des Krg-Bewilligungsabschnitts erneut ärztlich feststellen, sondern suchte ihre Ärztin hierzu erst am 25.10.2010 erneut auf. Dass die bescheinigte AU an einem Sonntag endete, hinderte die Klägerin nicht daran, vor dem Sonntag ein Fortbestehen ihrer AU ärztlich feststellen zu lassen.

SG Mannheim - S 9 KR 1340/11 -
LSG Baden-Württemberg - L 4 KR 284/12 -
Bundessozialgericht - B 1 KR 17/13 R -
Fundstelle BSG
http://juris.bundessozialgericht.de...ent.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2014&nr=13316

Gruß!
Machts Sinn
 
Propaganda

Der Terminsbericht des Bundessozialgerichtes hat was von Propaganda:

Das BSG war in dieser Sache nicht wegen der Differenz zwischen der Höhe des Arbeitslosen-
geldes und der Höhe des Krankengeldes für die Zeit vom 25.10. bis 29.11.2008 beteiligt. Statt-
dessen ging es um die Grundsatzfrage:

"Wie brutal ist die „BSG-Krankengeld-Falle in Wirklichkeit?"

Die deutlich gewordene „Brutalität“ eines Ergebnisses rechtlicher Überlegungen ist kaum zu über-
bieten. Denn es gibt Fälle, denen nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei dauer-
hafter Erkrankung ähnliches widerfährt, die aber kein Arbeitslosengeld beziehen können und statt
von Krankengeld deswegen 18 Monate von der Substanz leben müssen.

Dies alles trotz eindeutiger Arbeitsunfähigkeit, nur wegen vom BSG gewollter und von Zufälligkeiten
abhängiger Formalitäten, mit denen das System überfordert ist.

Zentrales Problem sind dabei die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) des Gemeinsamen
Bundesausschusses, deren Inhalt nicht mit den vom BSG "konstruierten" Anspruchsvoraus-
setzungen für Krankengeld harmoniert, durch die Krankenkassen-Vertragsärzte aber gleicher-
maßen gebunden wie irritiert sind.

Aus Sicht der Ärzte ist die „nahtlose Feststellung“ der Arbeitsunfähigkeit vermeintlich kein Problem,
zumal die AU-RL auch die rückwirkende AU-Feststellung vorsehen. Bisher wurde allgemein auch
nur auf die erforderliche „Nahtlosigkeit“ hingewiesen

Systemversagen: G-BA, KBV, GKV Spitzenverband, Patienten-Beauftragter und UPD als

obwohl es nach der Rechtsprechung des BSG auf die überschneidende AU-Feststellung ankommt
und die Krankenkassen jedenfalls in der Vergangenheit unterschiedliche Maßstäbe angelegt haben.

So ist es kein Wunder, wenn auch die Klägerin im entschiedenen Fall nach einer Arbeitsunfähigkeits-
bescheinigung bis Sonntag und gleichzeitiger Urlaubsabwesenheit ihrer Ärztin ganz selbstverständlich
wieder am Montag in die Praxis ging um weitere Arbeitsunfähigkeit feststellen zu lassen. Ihr hinterher
vorzuhalten, sie sei nicht gehindert gewesen, „vor dem Sonntag ein Fortbestehen ihrer AU ärztlich
feststellen zu lassen“ dürfte an Arroganz und Unverhältnismäßigkeit kaum zu überbieten sein:

In solchen Fällen ist der Krankengeldanspruch weg und das bisherige Versicherungsverhältnis
beendet.

Aber BSG-Richtern unter dem Vorsitz ihres Präsidenten kann derlei ja nicht passieren.

Gruß!
Machts Sinn
 
Hier ist das (Schand-) Urteil

https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/export.php?modul=esgb&id=169348&exportformat=HTM

Die Schande trifft aber möglicherweise weniger das BSG als den VdK. Jedenfalls ergibt sich aus dem Urteil nicht, dass sich der VdK den Mitglieder-Interessen adäquat engagiert hätte:


Sie (eingefügt: die Klägerin vertreten durch den VdK) hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

und:

Sie (eingefügt: die Klägerin) ist auch nicht so zu stellen, als hätte sie noch am letzten Tag des Krg-Bezugs eine ärztliche Feststellung über ihre AU herbeigeführt

und:

Nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, bei dem die AU-Feststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise rückwirkend auf den letzten Tag des abgelaufenen Krg-Bezugs hätte nachgeholt werden können (vgl zu den in den Verantwortungsbereich der KKn fallenden Hinderungsgründen, insbesondere bei ärztlicher Fehlbeurteilung der Arbeitsfähigkeit BSGE 95, 219 = SozR 4 2500 § 46 Nr 1, RdNr 18 ff und zur Verhinderung wegen Geschäfts oder Handlungsunfähigkeit BSGE 25, 76, 77 f = SozR Nr 18 zu § 182 RVO).


Kein Wort dazu, dass diese Abgrenzung des BSG im Hinblick auf den entschiedenen Fall nicht lebensnah, sondern beliebig und unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten fragwürdig erscheint:


Trotz der grundsätzlich strikten Anwendung beider Regelungen hat die Rechtsprechung schon bisher in engen Grenzen Ausnahmen dazu anerkannt, wenn die ärztliche Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert worden sind, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkassen und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind. So kann sich beispielsweise die Kasse nicht auf den verspäteten Zugang der Meldung berufen, wenn dieser auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste (BSGE 52, 254, 258 ff und LS 1 = SozR 2200 § 216 Nr 5). In einem Fall, in dem der Versicherte von seinem behandelnden Arzt auf Grund einer Fehldiagnose irrtümlich "gesundgeschrieben" worden war, hat das BSG ausgeführt, der Versicherte müsse eine die Arbeitsunfähigkeit ablehnende ärztliche Feststellung nicht stets hinnehmen, sondern könne ihre Unrichtigkeit - ggf auch durch die ex-post-Beurteilung eines anderen ärztlichen Gutachters - nachweisen (BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84). Die dem Versicherten vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit zu sorgen (§ 182 Abs 3 RVO; jetzt § 46 Abs 1 Nr 2 SGB V), erfülle er, wenn er alles in seiner Macht Stehende tue, um die ärztliche Feststellung zu erhalten. Er habe dazu den Arzt aufzusuchen und ihm seine Beschwerden vorzutragen. Er könne aber den Arzt nicht zwingen, eine vollständige Befunderhebung durchzuführen und eine zutreffende Beurteilung abzugeben. Unterbleibe die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit allein aus Gründen, die den Verantwortungsbereich des Kassen- (jetzt: Vertrags-) Arztes oder der sonstigen zur Sicherstellung der kassen- (jetzt: vertrags-) ärztlichen berufenen Personen oder Einrichtungen zuzuordnen seien, so dürfe sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken.


Die Klägerin hat ihre Obliegenheiten erfüllt und konnte nicht erkennen, dass sie entweder bereits am Freitag erneut einen Arzt zur Feststellung der AU aufzusuchen oder aber den hausärztlichen Notfalldienst in Anspruch nehmen muss. Darüber ist mit „lückenlos“ statt „überschneidend“ auch vom VdK unlängst noch nicht präzise informiert worden, geschweige denn von anderen System-Organisationen:

http://www.sozial-krankenkassen-ges...ftragter-und-UPD-als-„B/?postID=7891#post7891

Solcher Schwachsinn ist daher dem System zuzurechnen, aber nicht dem einzelnen Versicherten aufzubürden! Dies dürfte sich bei etwas gutem Willen und verfassungsgemäßer Rechtsauslegung auch im ‚sozialrechtlichen Herstellungsanspruch‘ unterbringen lassen.

Was ist vom Rechtsstaat zu erwarten, wenn der VdK keine Argumente findet und sich das BSG auf die unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG beschränkt - oder wird die BSG-Krankengeld-Falle doch noch irgendwann verschrottet, z. B. als Folge einer Verfassungsbeschwerde des VdK?

http://www.sozial-krankenkassen-ges...untergelassenen-Hosen/?postID=11146#post11146

Es kann für den VdK doch nicht zu schwierig sein, die hier im Forum diskutierten Urteile der Sozialgerichte Trier, Mainz und Speyer sowie den Aufsatz des SGG-Kommentators und LSG-Richters Wolfgang Keller mal nachzulesen und daraus im Interesse der Versicherten zu argumentieren – oder doch ?

Gruß!
Machts Sinn
 
Hilfe für den VdK !

.
Um dem VdK die Arbeit etwas zu erleichtern, sind hier schon mal Zusammenfassungen der Rechtsprechung der Sozialgerichte Trier, Mainz und Speyer.

Da wichtige Argumente erstmals in Urteilen festgehalten und die Entscheidungen aus Trier und Speyer mit Berufungen beim LSG Rheinland-Pfalz in Mainz angefochten wurden, ist von obergerichtlichen Entscheidungen erstmals mehr zu erwarten als der sonst unbefriedigende Standard der Krankengeld-Rechtsprechung. (Die Entscheidung aus Mainz ist von der Krankenkasse wohl hingenommen worden.)

Zusammenfassung:

Das Sozialgericht Trier kam in seinem Urteil vom 24.04.2013, S 5 KR 77-12, zu dem Ergebnis, dass eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsfeststellung, in der lediglich "voraussichtlich arbeitsunfähig bis" bescheinigt wird, nicht die Annahme einer (stillschweigend) befristeten Bewilligung von Krankengeld bis genau zu diesem "voraussichtlichen" Ende der Arbeitsunfähigkeit rechtfertige.

Es führte aus, das Gesetz bestimme nicht, wann ein (einmal entstandener) Anspruch ende. Weder Gesetz noch Bewilligungsbescheide und auch nicht bloße Fiktionen eines solchen Bewilligungsbescheides ließen den einmal entstandenen Anspruch auf Krankengeld am voraussichtlich letzten Tag der attestierten Arbeitsunfähigkeit enden. Vielmehr bleibe der entstandene Anspruch auf Krankengeld fortbestehen, weil die Krankheit den Versicherten nahtlos arbeitsunfähig mache. Mit der ununterbrochenen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit trete auch nicht jeweils ein neuer Versicherungsfall oder eine neue Arbeitsunfähigkeit ein, vielmehr werde die ursprünglich abgegebene Prognose ("voraussichtlich") lediglich konkretisiert und verlängert.

Im Übrigen sieht das Sozialgericht Trier die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als erfüllt an. Gerade wenn weder Merkblätter über das richtige Verhalten zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes informieren, noch Rechtsfolgenbelehrungen und noch nicht einmal formal ordnungsgemäße, schriftliche Bewilligungsbescheide erteilt würden, erscheine es nicht gerechtfertigt anzunehmen, es fehle "bereits an einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung", weil kein spontaner Beratungsbedarf erkennbar gewesen sei und eine allgemeine Aufklärung der Versicherten über ihre Obliegenheiten lediglich "wünschenswert erscheine".

Selbstverständlich müssten Sozialleistungsträger Versicherte auf leistungsrelevante Obliegenheiten, Rechte und Pflichten in angemessener Form konkret, richtig, vollständig und zeitnah hinweisen. Dies sei in anderen Sozialleistungsbereichen auch unbestritten. Allein schon aufgrund der Vielzahl der einschlägigen Verfahren sei seit langem erkennbar, dass viele Versicherte im Falle einer Arbeitsunfähigkeitsattestierung selbstverständlich davon ausgehen, sie hätten ihre Obliegenheiten zur nahtlosen Aufrechterhaltung von Krankengeldanspruch und Versicherungsschutz erfüllt, wenn sie zeitlich nahtlos attestierte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt haben.

Die von den Krankenkassen mit zu vertretende bzw. geduldete Verwendung irreführender Formulare (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) führe jedenfalls zu einem konkret erkennbaren Beratungsbedarf, der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruch bilde.

Der Herstellungsanspruch scheitere auch nicht daran, dass die rechtzeitig unterbliebene ärztliche Feststellung nicht nachträglich "fingiert" oder wiederhergestellt werde könne. Im Übrigen habe die sozialgerichtliche Rechtsprechung in bestimmten Fallkonstellationen die "verspätete" ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zugelassen, ohne dass Sinn und Zweck dem entgegengestanden hätten. Nichts Anderes könne gelten, wenn die "verspätete" Feststellung nicht auf unverschuldeter Handlungsunfähigkeit, sondern auf von der Krankenkasse zu vertretender Fehlinformation beruhe.

Auch das letztlich auf dem Gebot von Treu und Glauben (§ 242 BGB) fußende Rechtsinstitut der "Nachsichtgewährung" (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2012 - Az: B 4 AS 166/11 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 31) könne die Krankenkasse verpflichten, keine offensichtlich unangemessenen (unverhältnismäßigen) Rechtsfolgen oder Eigeninteressen an eine allenfalls geringfügige, von ihr selbst durch unzureichende Information und Beratung mitverursachte Obliegenheitsverletzung des Versicherten zu knüpfen und zu einem für den Kläger günstigen Ergebnis führen.

Jedenfalls in Fallgestaltungen, wenn aus Sicht des Versicherten ohne weiteres von einer "nahtlosen" Arbeitsunfähigkeits-Attestierung ohne einen einzigen Unterbrechungstag auszugehen sei, müsse der Versicherte deshalb vom Leistungsträger unaufgefordert darauf hingewiesen werden, dass dies zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes dennoch nicht ausreicht. Unterbleibe dieser Hinweis, sei der Versicherte jedenfalls im Wege der Nachsichtgewährung so zu stellen, als hätte er die nahtlose Arbeitsunfähigkeits-Attestierung schon am letzten Tag der bereits attestierten Arbeitsunfähigkeit bewirkt.

Auf verfassungsrechtliche Einwände gegen die bisherige sozialgerichtliche Rechtsprechung, wonach der Anspruch auf eine durch eigene Beiträge finanzierte Sozialleistung (Krankengeld/Versicherungsschutz) nicht wegen eines bloßen, vom Leistungsträger noch mitunterhaltenen "Missverständnisses" des nicht ausreichend informierten Versicherten ohne jede Begrenzung endgültig entfallen dürfe, komme es nicht mehr an. Auch insoweit wäre der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.


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Auch das Sozialgericht Mainz hat sich mit Urteil vom 24.09.2013, S 17 KR 247/12, sehr deutlich gegen die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ausgesprochen und ausdrücklich der Auffassung des SG Trier im Urteil vom 24.04.2013 (S 5 KR 77/12 - Rn. 21 ff.) angeschlossen, wonach für die Entstehung des Krankengeldanspruchs die erste ärztliche Feststellung genüge und der Anspruch auf Krankengeld durch eine Prognose für ein voraussichtliches Ende der AU nicht begrenzt werde, sondern erst ende, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nicht mehr vorlägen. Aus einer abschnittsweisen Gewährung von Krankengeld folge nicht, dass die Arbeitsunfähigkeit erneut ärztlich festgestellt werden müsse. Durch eine befristete Bewilligung des Krankengelds werde der materiellrechtliche Anspruch nicht unterbrochen, weswegen er nicht im Sinne des § 46 S. 1 SGB V neu entstehen müsse.

Der Anspruch ruhe auch nicht. Da die Arbeitsunfähigkeit seit der erstmaligen Meldung durchgehend vorgelegen habe, sei anschließend keine weitere Meldung mehr notwendig gewesen, um das Eintreten des Ruhens nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zu verhindern (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 02.11.1999 - L 4 KR 10/98). Gegen die abweichende Auffassung des BSG spreche der Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, wonach sich kein Anhaltspunkt dafür biete, dass eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit mehrmals gemeldet werden müsste, sondern eine einmalige Meldung ausreiche. Es werde auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgestellt, nicht etwa auf den Beginn eines Krankengeldbewilligungsabschnitts oder eines ärztlichen Feststellungszeitraums. Die Rechtsprechung des BSG widerspreche damit dem Gesetzeswortlaut, aus dem sich kein Ausgangspunkt für die Interpretation des BSG finden lasse. Für das Sozialgesetzbuch gelte die Regelung des § 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), nachdem Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuches nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibe oder zulasse. Dies spreche gegen die vom BSG vorgenommene Ausweitung der Meldepflicht.


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Und das Sozialgericht Speyer vertritt im Urteil vom 22.11.2013, S 19 KR 600/11, die Auffassung, die für den Anspruch auf Krankengeld maßgeblichen Vorschriften des SGB V stellten nicht auf eine ärztliche „Bescheinigung“ ab, weder über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit noch über deren voraussichtliche Dauer. Eine Verpflichtung zu einer erneuten „Vorlage“ nach Ablauf der zunächst bescheinigten voraussichtlichen Dauer finde sich folgerichtig im SGB V ebenfalls nicht. Mangels einer gesetzlichen Grundlage könne daher weder für die Entstehung noch für den Fortbestand des Anspruchs auf Krankengeld die Vorlage einer schriftlichen Bescheinigung bzw. weiterer Folgebescheinigungen gefordert werden.

Der Anspruch bestehe nach der einmal erfolgten ärztlichen Feststellung fort, solange insbesondere die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich andauere und die Höchstbezugsdauer nach § 48 SGB V noch nicht erreicht sei. Das Ende des einmal entstandenen Anspruchs ergebe sich weder aus dem im "Attest" angegebenen voraussichtlichen Ende der Arbeitsunfähigkeit, noch aus einem möglicherweise mitgeteilten Datum des geplanten nächsten Arztbesuches. Ebenso wenig könne eine Entscheidung der Krankenkasse - durch Bescheid oder oft nur durch später erfolgende tatsächliche Zahlung von Krankengeld für einen bestimmten Zeitabschnitt - den Anspruch zum Ende des Bewilligungszeitraums enden lassen. Sofern die Krankenkasse tatsächlich eine Entscheidung nur für einen bestimmten Abschnitt getroffen habe, sei über die Folgezeit noch zu entscheiden. Das habe jedoch nicht zur Folge, dass der Anspruch neu entstehen müsste.

Sofern das BSG in seiner ständigen Rechtsprechung die Auffassung vertrete, der Versicherte habe auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich „rechtzeitig vor Fristablauf“ erneut ärztlich feststellen zu lassen, vermöge die Kammer dem nach kritischer Überprüfung auch der eigenen Rechtsprechung nicht mehr zu folgen, da sich hierfür keine Stütze im Gesetzestext finde.

Der Anspruch auf Krankengeld ruhe in der streitigen Zeit nicht. Aus dem Gesetzestext lasse sich im Hinblick darauf, dass eine Arbeitsunfähigkeit nur einmal beginne, nur dass Erfordernis der erstmaligen Meldung zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit entnehmen. Sei diese Meldung erfolgt, dann sei der einmal entstandene Anspruch auf Krankengeld auch durchsetzbar. Nicht erforderlich seien hingegen immer wieder neue Meldungen, solange die Arbeitsunfähigkeit ununterbrochen fortbestehe.

Die von Zweckmäßigkeitserwägungen getragene abweichende Rechtsprechung des BSG könne sich für die geforderten weiteren Feststellungen und Meldungen nicht auf die zu Grunde zu legenden gesetzlichen Regelungen zum Anspruch auf Krankengeld stützen. Insbesondere fänden sich keine weiteren vom Versicherten zu beachtenden Ausschlussfristen im Gesetz. Das Gesetz knüpfe den Fortbestand des materiellen Anspruchs nicht an die Erfüllung weiterer Obliegenheiten durch den Versicherten.

Das Gericht sei an die gesetzlichen Regelungen gebunden. Weitere, einschränkende Erfordernisse für die Entstehung oder den Fortbestand des einmal entstandenen Anspruch aufzustellen, ohne dass es hierfür eine gesetzliche Grundlage gebe, verstoße nicht nur gegen den Grundsatz der Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes). Dem stünden auch die einfachgesetzlichen Regelungen des § 2 Abs. 2 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I) und § 31 SGB I entgegen. § 2 Abs. 2 SGB I bestimme, dass die sozialen Rechte bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs und bei der Ausübung von Ermessen zu beachten seien; dabei sei sicherzustellen, dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Ein soziales Recht in diesem Sinne normiere § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB I, der u.a. festlege, dass derjenige, der in der Sozialversicherung versichert sei, im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung ein Recht auf wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit habe. In § 31 SGB I sei zudem normiert, dass Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibe oder zulasse.

Das BSG füge den gesetzlich normierten Anspruchsvoraussetzungen erklärtermaßen über den Wortlaut des Gesetzes hinaus weitere Voraussetzungen hinzu. Durch eine solche Rechtsanwendung werde der gesetzliche Anspruch auf Krankengeld aber unter Missachtung der Auslegungsregel des § 2 Abs. 2 SGB I (möglichst weitgehende Verwirklichung der sozialen Rechte bei der Auslegung der Vorschriften des Sozialgesetzbuchs) und entgegen § 31 SGB I ohne Anhalt im Gesetz nur im Hinblick auf die Zweckmäßigkeit der selbst aufgestellten Kriterien verkürzt. Zutreffend habe bereits das SG Mainz unter Verweis auf die Bedeutung der Wortlautgrenze für die Auslegung von Gesetzestexten darauf hingewiesen, dass das Bedürfnis nach Überprüfung bei jeder weiteren Bewilligung von Krankengeld eine Analogiebildung zu Lasten der Versicherten oder eine "Rechtsfortbildung contra legem" nicht zu rechtfertigen vermöge. Zu Recht habe das BSG in seinem Urteil vom 10.05.2012 (- B 1 KR 19/11 R -, juris Rn. 28 f.) selbst darauf hingewiesen, dass nicht ein richterrechtlich entwickelter Pflichtenkanon, sondern die gesetzlich geregelten Anforderungen für den Inhalt und die Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs maßgeblich seien.

Bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit handele es sich weder um eine erneute Inanspruchnahme von Krankengeld noch um einen neuen Leistungsfall. Aus der Prognose auf dem üblicherweise verwendeten Vordruck könne sich kein Ende des einmal entstandenen Krankengeldanspruchs ergeben. Es zeige sich, dass das in die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingetragene Datum im Feld „voraussichtlich arbeitsunfähig bis einschließlich“ nicht zwingend ein vom attestierenden Arzt angenommenes Ende der Arbeitsunfähigkeit wiedergebe.

Letztlich habe das BSG in den Entscheidungen, in denen es das Erfordernis weiterer Feststellungen und Meldungen aufgestellt hat, den Anspruch des Versicherten nicht am Fehlen der weiteren Meldung scheitern lassen, sondern im Hinblick auf die erkannte „unangemessene Benachteiligung“ des Versicherten jeweils Gründe im Einzelfall gefunden, warum ausnahmsweise dennoch ein Anspruch auf Krankengeld bestanden habe. Das BSG sehe in seiner Rechtsprechung Ausnahmen von der „wortgetreuen Auslegung“ des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V und des § 49 Abs. 1 Nr. 5 SGB V, ohne kenntlich zu machen, welchen Anknüpfungspunkt es in Normtext für das behauptete Erfordernis der weiteren „den Krankengeldanspruch erhaltenden“ Feststellung oder Meldung sehe.

Derartige Korrektive wegen der so erzeugten „unangemessenen Benachteiligung“ der Versicherten seien jedenfalls in den Fällen eines zunächst wirksam entstandenen Krankengeldanspruchs bei ununterbrochen fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nicht erforderlich, sofern der gesetzlich vorgegebene Rahmen beachtet werde.

Damit wird deutlich, dass die bisherige BSG-"Recht"-sprechung in den betroffenen Härtefällen wohl noch längst nicht das letzte Wort sein kann.

Gruß!
Machts Sinn
 
rechtswissenschaftliche Ausarbeitung

Zur weiteren Information – insbesondere aktuell für den VdK – wird auf den Aufsatz

Die rechtzeitige ärztliche Feststellung des Fortbestehens von Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für weiteres Krankengeld von Wolfgang Keller

verwiesen.

Er ist wegen des urheberrechtlichen Schutzes wohl kaum im Internet zu finden, aber hier zu downloaden oder zu beziehen:

Die rechtzeitige ärztliche Feststellung des Fortbestehens von

Sehr empfehlenswert!

Gruß!
Machts Sinn
 
strikte Anwendung der „BSG-Krankengeld-Falle“ und restriktive Amnestie

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Ganz unabhängig von den Entscheidungen der Sozialgerichte Trier, Mainz und Speyer sowie vom o. g. Aufsatz fällt auf, dass der 1. Senat des BSG in seinen beiden aktuellsten „BSG-Krankengeld-Fallen“-Urteilen vom 10.05.2012 und 03.04.2014 übereinstimmend den Textbaustein verwendete:

Nach den unangegriffenen und damit bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, bei dem die AU-Feststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise rückwirkend auf den letzten Tag des abgelaufenen Krg-Bezugs hätte nachgeholt werden können (vgl zu den in den Verantwortungsbereich der KKn fallenden Hinderungsgründen, insbesondere bei ärztlicher Fehlbeurteilung der Arbeitsfähigkeit BSGE 95, 219 = SozR 4 2500 § 46 Nr 1, RdNr 18 ff und zur Verhinderung wegen Geschäfts oder Handlungsunfähigkeit BSGE 25, 76, 77 f = SozR Nr 18 zu § 182 RVO).

Er meint damit, dass nichts für die Anwendbarkeit der von ihm vorgegebenen Ausnahme-Regelung von der verlangten strikten Nutzung der „BSG-Krankengeld-Falle“ spricht. Aber stimmt das überhaupt oder wird der Textbaustein mit sachfremder Motivation missbraucht?

Konkret geht es um diese vom BSG aufgestellten Kriterien:

Hat der Versicherte (1.) alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan, um seine Ansprüche zu wahren, wurde er (2.) daran aber durch eine von der Krankenkasse zu vertretende Fehlentscheidung gehindert (zB durch die Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit des Vertragsarztes und des MDK), und macht er (3.) - zusätzlich - seine Rechte bei der Kasse unverzüglich (spätestens innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V) nach Erlangung der Kenntnis von dem Fehler geltend, kann er sich auf den Mangel auch zu einem späteren Zeitpunkt berufen.

Wer nachliest, wieviel „Hirnschmalz“ der 1. Senat des BSG zu diesem Satz im Zusammenhang mit der „Unrichtigkeit ärztlicher Beurteilungen“ im Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, verbraten hat, kann sich des Eindrucks grober Nachlässigkeit bei der Entscheidung vom 03.04.2014 kaum erwehren. Jedenfalls lassen die damaligen Überlegungen erahnen, wie beispielsweise mit der „lückenlos-Lücke“ zwischen Sonntag und Montag auch ganz anders umgegangen werden könnte – statt obigen Textbaustein zu verwenden:

vgl. II 1. b) bis e): https://sozialgerichtsbarkeit.de/sgb/esgb/show.php?modul=esgb&id=25523

Damit stellt sich zwingend die Frage, wodurch konkret die falsche Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit gegenüber der (allein aus Gründen der Terminvergabe) irrtümlich um einen Tag verspäteten (weil nur nahtlosen statt überschneidenden) richtigen Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit privilegiert sein soll.

Die nähere Betrachtung drängt zur Nachfrage: Wieso wird in den hier streitigen „Sonntag-Montag-lückenlos-Lücken-Fällen“ nicht nach den Grundsätzen des BSG vom 08.11.2005 geprüft, ob die Fehlbeurteilung der Dauer der Arbeitsunfähigkeit durch den behandelnden Arzt eine Ausnahme von der BSG-Auslegung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V rechtfertigt?

Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ist zwangsläufig immer auch auf einen Zeitraum bezogen und umfasst damit auch ihre Dauer. Wird der Versicherte von seinem behandelnden Arzt aufgrund einer Fehldiagnose irrtümlich "gesundgeschrieben" ist dies inhaltlich exakt dasselbe wie eine aufgrund einer Fehldiagnose irrtümlich für zu kurze Dauer bescheinigte Arbeitsunfähigkeit. Es handelt sich um eine Fehlentscheidung / Fehlbeurteilung der Arbeitsunfähigkeit durch den Vertragsarzt, die nach den Kriterien der BSG-Rechtsprechung mit Urteil vom 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fällt.

Davon muss grundsätzlich auch ausgegangen werden, wenn der behandelnde Arzt die Arbeitsunfähigkeit „voraussichtlich“ bis zu einem bestimmten Tag bescheinigt und für den Tag danach einen Termin in der Absicht vergibt, dann die Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit weiter zu bescheinigen. Damit reicht seine Prognose im Voraus über das Ende des bescheinigten Zeitraumes hinaus, womit er Arbeitsunfähigkeit – unabhängig vom „voraussichtlichen-bis-Datum“ in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung feststellt. Insoweit genügt der Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R, dass schon im Ansatz zwischen der ärztlichen Feststellung der AU als Voraussetzung des Krg-Anspruchs, der Bescheinigung der ärztlich festgestellten AU und der Meldung der AU zu unterscheiden ist.

Dies alles gilt umso mehr, wenn Ärzte auf ausdrückliche Veranlassung der Krankenkassen die voraussichtliche Dauer der AU für einen kürzeren Zeitraum (oft zwei oder vier Wochen) bescheinigen als ihre ärztliche Prognose reicht. Dass Widerstände der Krankenkassen gegen „richtige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen“ für längere Dauer oder gar unbefristet ("bis auf weiteres") in ihren Verantwortungsbereich fallen, bedarf keiner näheren Begründung.

Im Übrigen hat das BSG seine früher für wichtig gehaltenen Argumente für die "strikte Anwendung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V" selbst unterlaufen, indem es inzwischen – seit dem weiteren Urteil vom 10.05.2012, B 1 KR 20/11 R – langfristige bzw. unbefristete Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausdrücklich akzeptiert.

Da den Prozessvertretern des VdK zu all dem offenbar nichts einfällt, könnte sich der 17. Ordentliche Bundesverbandstag des VdK Deutschland vom 13. bis 15. Mai in Berlin unter dem Motto „ Soziale Spaltung überwinden“ zur „BSG-Krankengeld-Falle“ mit Zielen gegen die von ihr ausgehenden Härten positionieren!

Die bisherige Rechtsprechung schließt jedenfalls nicht aus, dass die „Wochenend-lückenlos-Lücke“ eine Ausnahme von der BSG-Auslegung des § 46 Satz 1 Nr 2 SGB V rechtfertigt. Diese Frage muss erstmal zur Entscheidung gebracht werden. Wenn das BSG dafür keine Anhaltspunkte erkennen kann, erscheinen entsprechende Revisionsbegründungen / -erwiderungen unverzichtbar.

Allerdings stellt sich zunächst die Vorfrage, ob die strikte Auslegung des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB durch das BSG mit Blick auf die Rechtsprechung in Rheinland-Pfalz tragbar ist. Die Ergebnisse der BSG-Rechtsprechung sind jedenfalls unerträglich!

Empfehlenswert dürfte daher auch eine Verfassungsbeschwerde sein.

Gruß!
Machts Sinn
 
Hallo,

zur „BSG-Krankengeld-Falle“ und zur „Sonntag-Montag-lückenlos-Lücke
läuft hier der nächste „Film“ mit ursprünglich vorgesehenem Gerichtstermin am 09.05.2014
und interessanten zwischenzeitlichen tatsächlichen und rechtlichen „Entwicklungen“:

Fehlzeiten in der Krankmeldung - Seite 3 - Krankengeld - Sozial-Krankenkassen-Gesundheitsforum

Der Kläger dort ist – vielleicht bald: war – durch den DGB-Rechtsschutz bisher
offenbar ähnlich halbherzig vertreten wie die Klägerin im letzten vom BSG entschiedenen
BSG-Krankengeld-Fallen-Fall“ mit der „Sonntag-Montag-lückenlos-Lücke“ vom VdK.

Herzliche Einladung - einfach mal reinschauen, staunen und zur Meinungsbildung beitragen!

Gruß!
Machts Sinn
 
nicht mit Ruhm ...

… bekleckern sich der VdK und das BSG mit der aktuellen „BSG-Krankengeld-Fallen-Entscheidung“ vom 04.03.2014, B 1 KR 17/13 R. Und der DGB-Rechtsschutz setzt diese Serie im nächsten „Sonntag-Montag-lückenlos-Lücken-Fall“ bereits konsequent fort.

Dabei sind die harten Fakten der aktuellen Streitigkeiten mit denen zur BSG-Entscheidung vom 08.11.2005, B 1 KR 30/04 R, in allen 3 Fällen identisch:


• Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis Sonntag (14.03.1999, 24.10.2010, 30.09.2012)

• weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am Montag (15.03.1999, 25.10.2010, 01.10.2012)

• „Lücke“ jeweils am Montag (15.03.1999, 25.10.2010, 01.10.2012)

• ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit

• nachträglich festgestellt​


Da fragt sich ernsthaft, ob sich die Verantwortlichen irgendwann doch noch in ihrem Tiefschlaf stören lassen.

Den „Vogel abgeschossen“ hat jedenfalls das BSG. Ausgerechnet mit dem Hinweis, es ergäben sich "keine Anhaltspunkte für einen Sachverhalt, bei dem die AU-Feststellung für einen weiteren Bewilligungsabschnitt ausnahmsweise rückwirkend auf den letzten Tag des abgelaufenen Krg-Bezugs hätte nachgeholt werden können“ hat sich der 1. Senat des BSG auf sein Urteil aus dem Jahr 2005 bezogen, aus dem sich das Gegenteil ergibt und weswegen die Klage damals erfolgreich war.

Das BSG ist folglich selbst auf die Tücken der innerhalb der Sozialgerichtsbarkeit weit verbreiteten Praktiken hereingefallen. Anstatt nach rechtlichen Kriterien zu prüfen und danach zu entscheiden, werden gerade in Krankengeld-Angelegenheiten unkritisch irgendwelche aus dem Zusammenhang gerissenen Textpassagen wortwörtlich übernommen, in diesem Fall vom BSG aus seinem vorhergehenden Urteil vom 10.05.2012, B 1 KR 19/11 R.

Die Kritik am VdK fällt aber kaum geringer aus. Wer ein Revisionsverfahren führt, muss sich zwangsläufig eingehend mit der letzten einschlägigen Entscheidung des Revisionsgerichtes befassen. Dies ist offenbar nicht geschehen, denn sonst hätte der VdK über den darin enthaltenen maßgeblichen Urteilshinweis bemerken und einbringen müssen, dass die Sache mit der aus dem Jahr 2005 vergleichbar ist und schon damals mit umfassender Argumentation zugunsten des Klägers entschieden wurde. Stattdessen holte sich der VdK vom BSG exakt dieselbe Watsch´n ab, wie die Prozessvertretung in der vorhergehenden Sache. Dies ist mehr als unprofessionell und verdient weitere Watsch´n.

Dabei entschuldigt auch nicht, dass auch der DGB-Rechtsschutz derzeit ebenfalls dabei ist, zusammen mit einem Sozialgericht im Norden dem Beispiel des VdK im Süden zu folgen - im Gegenteil! Dies ist lediglich ein Beweis für ein organisationsübergreifendes und bundesweit flächendeckendes Problem der „Rechtspflege“ in Krankengeld-Fragen, die betroffene Versicherte im Verhältnis zu den Krankenkassen generell zu Verlierern macht.

Und dies ist nicht das einzige Beispiel.

Gruß!
Machts Sinn
 
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