Hallo Herr Dr. Menger!
Als Erstes bedanke ich mich dafür, dass Sie sich die Zeit nehmen, Hilfeleistung zu geben, Stellung zu nehmen und dies dazu unter Ihrem Namen und nicht mit einem Pseudonym.
Dies vor allem unter Aspekt, dass Sie die Nachfolge von Dr. Schröter – einem in diesem Forum höflich formuliert als „persona non grata“ angesehenen Arzt - und letztendlich auch damit dessen Last übernommen haben.
Auf Grund der sowohl von mir persönlich gemachten Erfahrungen als auch auf Grund der Erfahrungen anderer, bei denen ich durch Kenntnis des Inhalts ihrer Gutachten und ihres Gerichtsverfahrens ebenfalls Einblick habe, verbleiben auf Ihre Antwort Fragen bzw. sieht meine Realität anders aus.
Daher will ich Ihren Inhalt nicht unkommentiert stehen lassen.
An Ihren Aussagen nicht ganz chronologisch entlang hangelnd:
„Bedenken Sie aber auch, dass diejenigen, welche letztendlich angezeigte Berufskrankheiten zuerkannt bekommen kaum medial / online diesbezüglich posten/vortragen.“ im Weiteren unter auch Bezug von seenixes Urteil.
Soweit ich dieses Forum hier kenne, werden zuerkannte Inhalte hier durchaus gepostet. Sowohl hinsichtlich vernünftiger Gutachter als auch Urteilsergebnissen. Es ist ja gerade auch Sinn und Zweck des Forums, dass die Anderen daraus lernen können, welche Ansatzpunkte für sie daraus bestehen.
Das Ergebnis des Forums ist dabei leider eine Wiederspiegelung der medialen Veröffentlichung, dass nur ein Bruchteil der Verfahren positiv für die Erkrankten ausgeht. Dies dazu entgegen dessen, was in den Urteilen immer gerne auch als Formulierung steht. Nämlich entgegen „des gesunden Menschenverstandes, lebensnaher Betrachtung und der praktischen Lebenserfahrung“ und teilweise auch entgegen der medizinischen Realität.
Neben obigen, inhaltlich unterschiedlichen Deutungen des gleichen Sachinhalts dazu auch als für mich sehr erschreckendes Beispiel zusammenfassend ein Urteil, das ich leider nicht finde:
Maurer, arbeitet so den Tag vor sich her, trägt 25 kg (oder 50 –wie gesagt Urteil nicht im exakten Wortlaut vorliegend) Sack Material zur Bedarfsstelle, stürzt/stolpert an Treppe, der Sack abrutscht, er knallt mit dem Rücken auf die Treppenstufen, ist danach symptomatisch und wie es sich kurz danach zeigt, hat er in diesem Bereich dann einenBandscheibenvorfall.
Tja, war kein Unfall sondern eine minderbelastbare, degenerative Vorschädigung.
„kann unter Umständen bei passender technischer Ermittlung und medizinischen Hilfskriterien ein Anerkenntnis nach Konstellation B2 aufwärts in Betracht kommen.“
Als medial positives Urteil zur BK 2108 Urteil BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 10/14 R – mit Abweisung der Revision der BG bei Vorliegen der Konstellation B2 der Konsensempfehlungen „weil dieses Zusatzkriterium auch bei einem lediglich bisegmentalen Bandscheibenschaden erfüllt sei“
Allerdings unter Bezug auf seenixes Urteil: Wie kann der eine Sachverständige zu dem Ergebnis kommen das bisegmental dem Begriff „Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben“ entspricht und der andere Sachverständige nicht?
Dies dazu bei der Tatsache, dass die eine offene Formulierung ist bei der die erforderliche Anzahl nicht präzise umschrieben ist, sondern nur auf das Vorliegen von mehr als einem Zustand abgestellt wird. Damit enthält die Vorgabe des Tatbestands keine normativen Vorgaben in Form einer mehr als zwei Zuständen. Anerkennungsfähig sind mithin hier alle Zustände von mehr als einem (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.12.2005 – B 2 U 11/14 R -).
Um ein bestimmtes Krankheitsbild – in diesem Fall nur 2 Zustände vorliegend - aus dem Schutzbereich dieser BK ausschließen zu können, muss demgegenüber feststehen, dass entweder diese Krankheit nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht vom Schutzbereich der Norm umfasst sein sollte oder durch die jeweilige Einwirkung nicht verursacht werden kann (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.12.2005 – B 2 U 11/14 R -).
Dabei genügt es nicht, diejenigen Erkenntnisse zugrundezulegen, die den VO zur Aufnahme der Krankheit in die BK-Liste bewogen haben, sondern es sind die fortschreitenden Erkenntnisse der Wissenschaft hinsichtlich der Wirkungsweise der genannten Einwirkung zur Bestimmung des Schutzbereichs zugrundezulegen (s. BSG vom 18. 8. 2004 – B 8 KN 1/03 U R – BSGE 93, 149 = SozR 4—5670 Anl 1 Nr 240 Nr 1, RdNr 15, zum Kehlkopfkarzinom nach ionisierenden Strahlen).
Trotzdem kommen Sachverständige immer wieder zu einer Beurteilung, die die Ablehnung zur Folge hat- auch seenixes Urteil.
„Sofern Gutachten vorliegen / erstattet werden, welche die Tatsachen nicht korrekt widerspiegeln oder die jeweiligen Vorgaben umgehen...dann müssen Sie sich natürlich wehren.[…] Abseits des Moralischen können Sie aber nur langjährig tätig sein, wenn Ihre Gutachten auch einer Überprüfung (beispielsweise i.R. von Gerichtsgutachten) standhalten. Fällt hier auf, dass sie gewissermaßen systematisch "falsch" in eine bestimmte Richtung liegen werden sie auf kurz oder lang scheitern. […]“
Ich zitiere dazu langjährige Rechtsprechung zu Gutachtenanforderungen, damit eindeutig ist, über welche Überprüfungsinhalte abseits einer möglichen Auslegung von medizinischen Inhalten ich rede. Wird ein bisschen länger.
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Das Gericht muss sich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist.
Maßgebend bei diesem ersten Schritt der Kausalitätsprüfung, für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist die Feststellung von wissenschaftlichen Erfahrungssätzen und deren Tragweite (vgl Spellbrink, SR 2014, 140, 144 ff und SR 2015, 15, 17) und des neuesten anerkannten Stands des Erfahrungswissens (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre").
Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands ist Teil dieses Sachverhalts ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Das Gericht muss sich daher Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Das Gericht zeiht dazu die von Ärzten vermittelten Erfahrungssätze heran und überprüft dieses von den Ärzten vermittelte Erfahrungswissen anhand der aktuellen medizinischen/wissenschaftlichen Literatur.
Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Dazu können einschlägige Publikationen, beispielsweise die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums und die wissenschaftliche Begründung des ärztlichen Sachverständigenbeirats – Sektion Berufskrankheiten – zu der betreffenden BK oder Konsensusempfehlungen der mit der Fragestellung befassten Fachmediziner, uU auch die Begründung des Verordnungsgebers zur Einführung der BK, herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten Stand befinden. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen (vgl. BS, Urteil vom 24.07.2012 – B U 9/11 R).
Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also – von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen – Konsens besteht (BSG vom 17. 12. 2015 – B 2 U 11/14 R – BSGE 120, 230 = SozR 4—2700 § 9 Nr 26, RdNr 17; BSG vom 23. 4. 2015 – B 2 U 6/13 R – SozR 4—5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22; BSG vom 27. 6. 2006 – B 2 U 20/04 R – BSGE 96, 291 = SozR 4—2700 § 9 Nr 7, RdNr 20, BSG vom vom 30. 3. 2017 – B 2 U 6/15 R - ; BSG vom 15.9.2011, aaO).
Die heranzuziehenden Quellen, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das jeweilige Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin ggf durch Sachverständige zu überprüfen (vgl BSG vom 30. 3. 2017 – B 2 U 6/15 R - ; vom 17. 12. 2015 – B 2 U 11/14 R –, BSGE 120, 230 = SozR 4—2700 § 9 Nr 26, RdNr 28; vom 24. 7. 2012 – B 2 U 9/11 R – SozR 4—2700 § 8 Nr 44 RdNr 68; vom 15. 9. 2011 – B 2 U 25/10 R – SozR 4—5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27. 6. 2006 – B 2 U 20/04 R – BSGE 96, 291 = SozR 4—2700 § 9 Nr 7, RdNr 20).
Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG vom 9. 5. 2006 – B 2 U 1/05 R – BSGE 96, 196 = SozR 4—2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).
Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung [einer BK] vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten (BSG SozR 3850 § 51 Nr 9; BSG SozR 1500 § 128 Nr 31 = SGb 1988, 506 mit Anm K. Müller; BSG SozR 3—3850 § 52 Nr 1; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl. 2005, Kap III RdNr 47, 57; Rauschelbach, MedSach 2001, 97; Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, Kap 2. 3. 4. 3, S 146).
Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zu medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf. konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R a.a.O.).
Fehlen solche Zusammenstellungen oder sind sie veraltet, bedarf es entsprechender Ermittlungen.
Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist. Dieser Erkenntnisstand ist die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf (vgl zB BSG, Urteil vom 24.7.2012, B 2 U 9/11 R).
Weicht der Sachverständige von einer solchen Stellungnahme ab, so muss er im Gutachten auf diese fachkundige Äußerung eingehen und den Grund für sein abweichendes Ergebnis nachvollziehbar darlegen. Andernfalls ist das Gutachten unvollständig und deshalb fehlerhaft, liefert weder einen Beitrag zu der dem Gericht obliegenden Wahrheitsfindung noch zur Erhaltung bzw. Herstellung des Rechtsfriedens (vgl Widder et al –Begutachtung in der Neurologie, Thieme 2. Aufl 2011, Seite 4; LVBG – Hinweise zur Begutachtung von Berufskrankheiten, 5. Aufl 2005, Seite 4; Leitlinie Allgemeine Grundlagen der neurologischen Begutachtung, Seite 8).
Will eine Prozesspartei ein ihr ungünstiges Sachverständigengutachten angreifen und erschüttern, ist sie grundsätzlich weder auf Grund ihrer Substanziierungslast noch ihrer allgemeinen Prozessförderungspflicht verpflichtet, ein Privatgutachten einzuholen. Substantiiertes, mit Nachweises unterlegtes Parteivorbringen, das nachprüfbar nachweist, dass die Inhalte des Gutachtens in nicht vereinbaren Widerspruch mit dem aktuellen Stand der einschlägigen Wissenschaft, den Befundtatsachen oder anderen Inhalten der Gerichtsakte stehen, ist ausreichend (vgl. BGH 19.2.03, lV ZR 321/02, NZV 03, 226; BGH, Urteil vom 18. Oktober 2005 - VI ZR 270/04 -, NJW 2006, S. 152 [154])
Beruft sich eine Seite auf entgegenstehende Studien oder entgegenstehende Literatur, muss dem auch seitens des Gerichtssachverständigen durch Heranziehung anderer Literatur begegnet werden (vgl. BSG, Urteil v. 09.10.2001, B 1 KR 12/01 R; BSG, Urteil v. 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R a.a.O.; § 103 und § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG; Standard-Chaos? Der Sachverständige im Dickicht zwischen Jurisprudenz und Medizin, Peter Thurn: Standardchaos in der Prozesswirklichkeit – aus Sicht des Gerichts pp 51-62, Springer-Verlag 2014).
Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen im Sinne von § 529 I Nr. 1 ZPO, insbesondere bei der Frage, ob der Standard gewahrt wurde und die das Gericht nicht einfach aufgrund eigener Sachkunde wegwischen darf, resultieren auch aus eingeholten Privatgutachten, aus fundierten Stellungnahmen von Behandlern oder qualifiziertem Parteivortrag, die Widersprüche zum Gerichtsgutachten ergeben. Dies gilt insbesondere dann, wenn dabei Verstöße gegen (medizinische) Erfahrungssätze oder Denkgesetze aufgezeigt werden (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1565, 1566; BGH, Urteil v. 19.02.2003 – IV ZR 31/92; BGH, Urteil v. 8.6.2004 - VI ZR 199/03, NJW 2004, 2825; BGH, Beschluss vom 22. Juni 2009 -, NJW 2009, Rn. 2 II ZR 143/08 2598 mwN; Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZR 22/12, TranspR 2013, 430 Rn. 10; Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 95/14 829 , NJW-RR 2015, Rn. 9 a.a.O)
Unverzichtbar ist die vollständige und richtige Verwertung der vom Gericht vorgegebenen Anknüpfungs- oder Befundtatsachen (BVerfGE 91, 176 = NJW 1995, 40; BGH WM 2007, 1901; OLG München (10. ZS), Urt. v.21.5.2010 – 10 U 2853/06 (juris, dort Rz. 128; Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschl. desBGH v. 20.12.2011 – VI ZR 165/10 zurückgewiesen); v. 13.5.2011 – 10 U 3951/10 (NJW 2011,3729 [3730 unter I 3 b] m. zust. Anm. Kääb FD- StrVR 2011, 318319; einen krassen, aber keineswegs seltenen Fall der bewußten Ausblendung von vorhandenen Anknüpfungstatsachen durch Sachverständige behandelt OLG Hamm NJW-RR 1994, 481. 9).
Bei einem medizinischen Gutachten muss der Gutachter sich mit sämtliche Anknüpfungstatsachen, insbesondere Berichte über den Unfallhergang, Krankenunterlagen oder Stellungnahmen der behandelnden und oder sonstigen fachkundigen Stellungnahmen auseinanderzusetzen. Der Gutachter muss Anknüpfungs– und Befundtatsachen klar und vollständig darstellen, seine Untersuchungsmethoden erläutern und seine Hypothesen offen legen (vgl. BVerfG, 14.01.2005 – 2 BvR 983/04; vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Aufl. Rn. 317 ff; vgl. RA Prof. Dr. med. Peter W. Gadzik, Rechtsgrundlagen der Begutachtung, Modul I – Allgemeine Grundlagen, Zustandsbegutachtung – Punkt 7)
Ein korrekt erstellter Aktenauszug lässt auch den Rechtsanwender erkennen, ob der Sachverständige tatsächlich alle entscheidungsrelevanten aktenkundigen Daten zur Kenntnis genommen hat. Ist dies nicht der Fall, erschließt sich aus der nachfolgenden Beurteilung auch nicht die Kenntniseines entscheidungsrelevanten Faktums (z. B. aus Operationsprotokoll oder histologischem Befund etc.), so ist dies ein Mangel, der berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der gutachtlichen Beurteilung insgesamt begründet. Der Aktenauszug ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unverzichtbarer Bestandteil eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Im Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts am 14.01.2005 (AZ: 2 BvR 983/04) ausgeführt, dass ein Gutachten einem bestimmten Mindeststandard genügen muss:
„So muss die Begutachtung insbesondere nachvollziehbar und transparent sein. Der Gutachter muss Anknüpfungs- und Befundtatsachen klar und vollständig darlegen ...[…] Der Sachverständige sollte einen solchen Gutachtenauftrag konsequenterweise zurückgeben, um nicht Gefahr zu laufen, schon in Unkenntnis der aktenkundigen Tatsachen, somit der zu beurteilenden Sachverhalte, eine Fehlbeurteilung zu produzieren. Jeder Sachverständige sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass er für den Inhalt seines Gutachtens haftbar, unter bestimmten Voraussetzungen sogar schadensersatzpflichtig gemacht werden kann.“ (Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane (Springer Verlag, 6., vollständig überarbeitete Auflage 2013, Seite 846):
Es ist somit eine der wichtigsten Aufgaben des Sachverständigen, diese Tatsachen, wie sie sich bereits in den überreichten Aktenunterlagen finden lassen, auch wahrzunehmen, um sie später in der gutachtlichen Beurteilung nutzen zu können. (Schröter und Tändler 2006).
Dazu benötigt ein professionell arbeitender Sachverständiger einen Aktenauszug, in dem Kerndaten zumindest im Telegrammstil – in Verknüpfung mit dem jeweils ausgewerteten Schriftstück – zu finden sein müssen, um auf das jeweilige Dokument im Rahmen der Erarbeitung der Beurteilung rasch zurückgreifen zu können. Ein korrekt erstellter Aktenauszug lässt auch den Rechtsanwender erkennen, ob der Sachverständige tatsächlich alle entscheidungsrelevanten aktenkundigen Daten zur Kenntnis genommen hat. Ist dies nicht der Fall und erschließt sich auch aus der nachfolgenden Beurteilung nicht die Kenntnis eines entscheidungsrelevanten Faktums (z. B. aus OP-Protokoll oder histologischem Befund etc.), ist dies ein Mangel, der berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der gutachtlichen Beurteilung insgesamt begründet. Der Aktenauszug ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unverzichtbarer Bestandteil eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Im Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde hat der 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts am 14.1.2005 (Az. 2 BvR 983/04) ausgeführt, dass ein Gutachten einem bestimmten Mindeststandard genügen muss:“ (Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung, Seite 57 , Urban & Fischer Verlag/Elsevier GmbH).
Die Untersuchungsmethoden müssen den Kriterien Reliabilität (Zuverlässigkeit der Reproduktion), Validität (Sicherheit der Aussage) und Objektivität (Unabhängigkeit von persönlichen Einflüssen) genügen. In der Befunddokumentation gilt es, miteinander unvereinbare Befunde oder Beobachtungen sachlich aufzuzeigen, um eine verfälschte Befunddokumentation zu vermeiden. Eine Entscheidung kann nur dann auf Aussagen in einem Sachverständigengutachten gestützt werden, wenn dieses in sich widerspruchsfrei und schlüssig ist; es muss vollständig sein und alle Gesichtspunkte, auf die es im speziellen Fall ankommt, hinreichend abdecken. Es ist die Begründung der Diagnose erforderlich, ggf. Subsumtion unter die definierten Merkmale (s. auch Dr. Ulrich Freudenberg, Vors. Richter am LSG NRW; 2012 - Sozialrecht im Blickpunkt: Zuverlässigkeit und Objektivität sozialmedizinischer Gutachten - Richterliche Sicht – , Ärztekammer Nordrhein „Klare Standards für medizinische Gutachten“,
https://www.aekno.de/page.asp?pageId=6353&noredir=True)
Die Überzeugungskraft eines Gutachtens steht und fällt nach den Worten Freudenbergs mit dessen Vollständigkeit, Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit (innere Logik), und zwar in Bezug auf das Gutachten selbst, auf den Fall insgesamt, auf rechtliche Vorgaben und den aktuellen medizinischen Erkenntnisstand und auf die Argumentation (BGH MDR 2011, 429; OLG Stuttgart NJW 1981, 2581; OLG München (10. ZS), Urt. v. 21.5.2010 –10 U 2853/06 (juris, dort Rz. 128; Nichtzulassungsbeschwerde durch Beschl. des BGH v.20.12.2011 – VI ZR 165/10 zurückgewiesen); NJW 2011, 3729 (3730 unter I 3 b) m. zust. Anm.Kääb FD-StrVR 2011, 318319; Schneider Rz. 1426, 1438, 1440; Balzer Rz. 356.).
Dazu gehört ebenfalls die inhaltliche Stimmigkeit des Gutachtens. Dies bedingt die Beachtung der in verschiedenen Leitlinien und im Spezialschrifttum formulierten Standards für die Begutachtung.
Ebenfalls dazu gehört, dass der Gutachter sowohl alle eigenen Befunde als auch weiteren Unterlagen und Befunde „vollständig verwertet“, sich auch mit abweichenden Beurteilungen auseinandersetzt und das Vorbringen des Klägers auf Konsistenz prüft (Dr. Ulrich Freudenberg, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in Ärztekammer NR - „Klare Standards für medizinische Gutachten“,
https://www.aekno.de/page.asp?pageId=6353&noredir=True&ts=3).
Das Gericht muss sich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist.
Maßgebend bei diesem ersten Schritt der Kausalitätsprüfung, für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist die Feststellung von wissenschaftlichen Erfahrungssätzen und deren Tragweite (vgl Spellbrink, SR 2014, 140, 144 ff und SR 2015, 15, 17) und des neuesten anerkannten Stands des Erfahrungswissens (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre").
Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands ist Teil dieses Sachverhalts ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Das Gericht muss sich daher Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Das Gericht zeiht dazu die von Ärzten vermittelten Erfahrungssätze heran und überprüft dieses von den Ärzten vermittelte Erfahrungswissen anhand der aktuellen medizinischen/wissenschaftlichen Literatur.
Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Dazu können einschlägige Publikationen, beispielsweise die Merkblätter des zuständigen Bundesministeriums und die wissenschaftliche Begründung des ärztlichen Sachverständigenbeirats – Sektion Berufskrankheiten – zu der betreffenden BK oder Konsensusempfehlungen der mit der Fragestellung befassten Fachmediziner, uU auch die Begründung des Verordnungsgebers zur Einführung der BK, herangezogen werden, sofern sie zeitnah erstellt oder aktualisiert worden sind und sich auf dem neuesten Stand befinden. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen (vgl. BS, Urteil vom 24.07.2012 – B U 9/11 R).
Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also – von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen – Konsens besteht (BSG vom 17. 12. 2015 – B 2 U 11/14 R – BSGE 120, 230 = SozR 4—2700 § 9 Nr 26, RdNr 17; BSG vom 23. 4. 2015 – B 2 U 6/13 R – SozR 4—5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22; BSG vom 27. 6. 2006 – B 2 U 20/04 R – BSGE 96, 291 = SozR 4—2700 § 9 Nr 7, RdNr 20, BSG vom vom 30. 3. 2017 – B 2 U 6/15 R - ; BSG vom 15.9.2011, aaO).
Die heranzuziehenden Quellen, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das jeweilige Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin ggf durch Sachverständige zu überprüfen (vgl BSG vom 30. 3. 2017 – B 2 U 6/15 R - ; vom 17. 12. 2015 – B 2 U 11/14 R –, BSGE 120, 230 = SozR 4—2700 § 9 Nr 26, RdNr 28; vom 24. 7. 2012 – B 2 U 9/11 R – SozR 4—2700 § 8 Nr 44 RdNr 68; vom 15. 9. 2011 – B 2 U 25/10 R – SozR 4—5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27. 6. 2006 – B 2 U 20/04 R – BSGE 96, 291 = SozR 4—2700 § 9 Nr 7, RdNr 20).
Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG vom 9. 5. 2006 – B 2 U 1/05 R – BSGE 96, 196 = SozR 4—2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).
Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung [einer BK] vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten (BSG SozR 3850 § 51 Nr 9; BSG SozR 1500 § 128 Nr 31 = SGb 1988, 506 mit Anm K. Müller; BSG SozR 3—3850 § 52 Nr 1; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 4. Aufl. 2005, Kap III RdNr 47, 57; Rauschelbach, MedSach 2001, 97; Schönberger/Mehrtens/Valentin, aaO, Kap 2. 3. 4. 3, S 146).
Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zu medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf. konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R a.a.O.).
Fehlen solche Zusammenstellungen oder sind sie veraltet, bedarf es entsprechender Ermittlungen.
Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist. Dieser Erkenntnisstand ist die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf (vgl zB BSG, Urteil vom 24.7.2012, B 2 U 9/11 R).
Weicht der Sachverständige von einer solchen Stellungnahme ab, so muss er im Gutachten auf diese fachkundige Äußerung eingehen und den Grund für sein abweichendes Ergebnis nachvollziehbar darlegen. Andernfalls ist das Gutachten unvollständig und deshalb fehlerhaft, liefert weder einen Beitrag zu der dem Gericht obliegenden Wahrheitsfindung noch zur Erhaltung bzw. Herstellung des Rechtsfriedens (vgl Widder et al –Begutachtung in der Neurologie, Thieme 2. Aufl 2011, Seite 4; LVBG – Hinweise zur Begutachtung von Berufskrankheiten, 5. Aufl 2005, Seite 4; Leitlinie Allgemeine Grundlagen der neurologischen Begutachtung, Seite 8).
Will eine Prozesspartei ein ihr ungünstiges Sachverständigengutachten angreifen und erschüttern, ist sie grundsätzlich weder auf Grund ihrer Substanziierungslast noch ihrer allgemeinen Prozessförderungspflicht verpflichtet, ein Privatgutachten einzuholen. Substantiiertes, mit Nachweises unterlegtes Parteivorbringen, das nachprüfbar nachweist, dass die Inhalte des Gutachtens in nicht vereinbaren Widerspruch mit dem aktuellen Stand der einschlägigen Wissenschaft, den Befundtatsachen oder anderen Inhalten der Gerichtsakte stehen, ist ausreichend (vgl. BGH 19.2.03, lV ZR 321/02, NZV 03, 226; BGH, Urteil vom 18. Oktober 2005 - VI ZR 270/04 -, NJW 2006, S. 152 [154])
Beruft sich eine Seite auf entgegenstehende Studien oder entgegenstehende Literatur, muss dem auch seitens des Gerichtssachverständigen durch Heranziehung anderer Literatur begegnet werden (vgl. BSG, Urteil v. 09.10.2001, B 1 KR 12/01 R; BSG, Urteil v. 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R a.a.O.; § 103 und § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG; Standard-Chaos? Der Sachverständige im Dickicht zwischen Jurisprudenz und Medizin, Peter Thurn: Standardchaos in der Prozesswirklichkeit – aus Sicht des Gerichts pp 51-62, Springer-Verlag 2014).
Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der getroffenen Feststellungen im Sinne von § 529 I Nr. 1 ZPO, insbesondere bei der Frage, ob der Standard gewahrt wurde und die das Gericht nicht einfach aufgrund eigener Sachkunde wegwischen darf, resultieren auch aus eingeholten Privatgutachten, aus fundierten Stellungnahmen von Behandlern oder qualifiziertem Parteivortrag, die Widersprüche zum Gerichtsgutachten ergeben. Dies gilt insbesondere dann, wenn dabei Verstöße gegen (medizinische) Erfahrungssätze oder Denkgesetze aufgezeigt werden (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1565, 1566; BGH, Urteil v. 19.02.2003 – IV ZR 31/92; BGH, Urteil v. 8.6.2004 - VI ZR 199/03, NJW 2004, 2825; BGH, Beschluss vom 22. Juni 2009 -, NJW 2009, Rn. 2 II ZR 143/08 2598 mwN; Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZR 22/12, TranspR 2013, 430 Rn. 10; Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 95/14 829 , NJW-RR 2015, Rn. 9 a.a.O)
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Hmmm … aus meinem Sandkasten geplaudert. Allerdings nur eingeschränkt – der Schutz meiner Privatsphäre bei noch laufendem Verfahren ist mir wichtiger als exakte Detailgenauigkeit.
Im Rahmen des langjährigen Verfahrens durch die Instanzen – inzwischen sind wir bei weit über 10 Jahren - liegen inzwischen knapp 20 Gutachten – davon 6 reine Gerichtsgutachten , 1 Privatgutachten meinerseites, 3 Stellungnahmen der Beklagten (eine vom Landesdatenschutzbeauftragten eindeutig als verstecktes Gutachten beschieden), 1 Privatgutachten der Beklagten, und div. Gutachten nach § 109 SGG - alle verschiedensten Fachrichtungen vor.
Von den Gerichtsgutachern sind alle auch langjährig als Gerichtsgutachter als auch für die Versicherungswirtschaft tätig. Man sollte also davon ausgehen, dass diese oben genannten Inhalte bekannt sind.
Von diesen knapp 20 Gutachten
- haben genau 2 Gutachten überhaupt einen Aktenauszug erstellt. 1 mal Gerichtsgutachter und 1 mal mein Privatgutachter.
- haben genau 4 Gutachter überhaupt Fachliteratur angeführt. 1 mal Gerichtsgutachter, dieser genau eine Quelle zumindest mal benannt. Ansonsten 2 mal § 109 SGG und mein Privatgutachten.
- haben genau 3 Gutachter sich an die Inhalte Fachliteratur, wissenschaftlichem Erkenntnisstand und Inhalte gehalten. 2 mal § 109 SGG und mein Privatgutachten.
Der Rest der Gutachter - auf was auch immer sich er sich bezogen, so leid es mir tut dies zu formulieren, nachweislich war es kein Fachstandard.
Was unter anderem auch nicht nur direkten Vergleich mit der Fachliteratur im Rahmen der Stellungnahmen zu ihren Gutachten als auch durch die 2 mal § 109 SGG und mein Privatgutachten und deren Vergleich mit der Fachliteratur nachgewiesen wurde.
Dies dazu unter dem Aspekt, dass ich fleißig jeden meine Aussagen beweisende Fachliteratur beigebracht habe. Und dies nicht aus dem Postillion oder der BILD-Zeitung sondern AWMF-Leitlinien, CME-Fortbildungen, Standardwerke der Fachrichtungen, Fachzeitschriften der Fachrichtungen etc.
- haben genau 3 Gutachter alle Anknüpfungs- und Befundtatsachen einbezogen. 2 mal § 109 SGG und mein Privatgutachten.
- haben genau 3 Gutachter alle Anknüpfungs- und Befundtatsachen mit der Fachliteratur abgeglichen. 2 mal § 109 SGG und mein Privatgutachten.
- haben alle Gerichtsgutachter sofern sie überhaupt Anknüpfungs- und Befundtatsachen verwendet hatten, diese – auch da so leid es mir tut – deren Inhalt so falsch wiedergegeben, dass dies mit der Realität nicht mehr in Einklang zu bringen ist.
Kleine Beispiele als Weniges von Vielem:
Bis 5 Minuten vor dem Unfall war ich absolut und nachweislich beschwerdefrei und habe so alles vor mich hinwerkeln können, was Beruf und Freizeit so hergaben, dazu aus einem Gutachten „dokumentarisch belegt waren Sie vor den Unfall beschwerdefrei“
Es ist schon interessant, was ich lt. den Gerichtsgutachtern vor dem Unfall alles angeblich so hatte oder nicht konnte.
Vor allem unter dem Aspekt, dass die Sachverständigen dann nicht erklären, wie ein absolut beschwerdefreier und voll funktionsfähiger Zustand selbst unter schwerer Arbeitsschwere (vgl dazu DRV-Schriften Band 81, Juli 2013 - Sozialmedizinisches Glossar der DRV (Bund), Glossar der Bundesanstalt für Arbeit, Schröter et al; Orthopädisch-unfallchirurgische Begutachtung – Handbuch der klinischen Begutachtung, Schiltenwolf et al; Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, LSG Baden-Württemberg, Urteil von 23.04.2015 - L 10 U 5600/13; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 07.03.2019 - L 3 U 164/17 - , Rd. 58) mit einem angeblich nicht beschwerdefreiem Zustand bei angeblich minderbelastbarer Schadensanlage zusammenpassen und erklärbar sind.
Es liegen neurologische Befunde(NLG, SSEP) und histologische Befunde (Axonotmesis/Seddon 2 bzw. Sunderland 2 - 4 - Ausspoßung, Einwachsung, Vernarbung, Einklemmung bei erhaltener Kontinuität) vor, die eindeutig einen Nervenschaden beweisen.
Nun, einige Gerichtsgutachter behauptet so still vor sich hin, ein Nervenschaden wäre überhaupt nicht nachweisbar. Und trotz auch ihnen vorliegender, das Gegenteil attestierender, psychiatrischer Gutachten und einer sowohl vor dem Unfall als auch nach dem Unfall diesbezüglich blanden Anamnese behaupten diese dann teilweise mal lustig vor sich – natürlich ohne Auseinandersetzung mit Fachliteratur und Abgleich dieser mit dem Probanden vor sich – ich hätte psychiatrische Grunderkrankungen.
Andere Gerichtsgutachter behaupten, die erhaltene Kontinuität wäre Nachweis dafür, dass kein Nervenschaden vorliegen würde. Die neurologischen Befunde und die diesbezügliche Fachliteratur werden dabei nonchalant komplett ignoriert.
Auf die Diskrepanzen bwz. die fehlende Verwertung der Anknüpfungs- und Befundtatsachen hingewiesen und um Erklärung gebeten inklusive einer Erklärung, wenn nicht durch die Nervenverletzung an sich durch welche andere Erkrankung diese Befunde dann erklärbar seien warte ich bis heute.
- ist ein Gerichtgutachter soweit gegangen, einen medizinischen Befund samt dessen pathologischen Inhalt mit angeblichem Vorliegen einer Grunderkrankung zu erfinden und darauf begründet dann seine Behauptung zu beweisen, dass die Symptomatik auf Grundlage einer minderbelastbaren Schadensanlage entstanden ist.
Und nein, auch das ist kein Scherz.
Unabhängig, dass selbst Datumsdreher das Datum dieses medizinischen Befund nicht hergeben würden, der Argumentation einer Verwechslung mit einem anderen Befund wurde damit entgegengetreten, dass es keinen sonstigen diesbezüglich pathologischen medizinischen Befund sondern nur „unauffälliger Befund“ gab. Der Gerichtsgutachter also was auch mit was auch immer nicht hätte verwechseln können. Und mangels vergleichbarem Inhalt schon damit eine Verwechslung nicht möglich war.
Werden die Sachverständigen in den Stellungnahmen auf diese (und andere) Fehler und Diskrepanzen hingewiesen, ist die Reaktion nicht nur vergleichbar Null – sie ist Null. Sprich, s wird fleißig und unbeirrt im gleichen Stil weitergemacht.
In Anbetracht der Durchgängigkeit durch die Jahre, durch die Gutachter, durch die Instanzen und die Fachrichtungen und der Tatsache, dass mir durchaus auch andere Gutachten/Fälle genau genug bekannt sind, um zu Beurteilen, dass es dort auch nicht anderes läuft fällt mir dazu nur eines auf
- es läuft gewissermaßen systematisch "falsch" in eine bestimmte Richtung und weder auf kurz oder lang scheitern sie. Und der Eindruck "flächendeckender" böser Wille oder gar eine Verschwörung ergibt sich zwangsläufig.
Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass seitens meines Rentenversicherers weder das Vorliegen der Erkrankung noch das Vorliegen einer Unfallkausalität inzwischen unumstritten ist und das Amt für Soziales mir ohne Diskussion die Schwerbehinderung auf Grund der Folgen der Nervenverletzung und dies lebenslang bestätigt hat.
„Die Frage wieviel Leid damit verbunden ist...?“
In Anbetracht eines inzwischen Jahrzehnte langen Rechtsstreits durch die Instanzen mit allen dazu kommenden Belastungen, dem Verlust der Privatsphäre durch die Gutachten und das Verfahren, dem Umstand, wie so einige Gutachter mit ihrem Probanden umgegangen sind zw. gegen welche Unterstellungen man sich so wehren durfte, die finanziellen Sorgen durch Verdienstausfall und fehlenden Ausgleich durch die Rente sowohl jetzt als auch im Alter, dies dazu gerade zu Anfang bei einem gesundheitlichen Zustand, der div. Krankhausaufenthalten beinhaltete, dem Verlust der Lebensplanung – sowohl der eigenen als auch der mit seinem Lebenspartner -, dem finanziellen Problemen, die ein Prozess so mit sich bringt inklusive der Tatsache, dass Privatgutachten kosten und obwohl sicherlich sinnvoll eben mehr als eines nicht ging – sowohl zum Thema Waffengleichheit -, der Tatsache, dass viele sich keine Rechtsschutzversicherung leisten können und und und …
Wie viel Leid kann damit Ihrer Meinung nach damit verbunden?
Unter Bezug auf Ihre Aussauge auf Ihrer Webseite 1000 Gutachten/Jahr:
Ein Gutachten braucht Vorbereitung – Aktenstudium,Aktenauszug erstellen, ggf. noch etwas Fachliteratur-Recherche etc.
Ein Gutachten braucht ggf. den Probanden-Termin.
Ein Gutachten braucht Nachbereitung – Zusammenfassung des Gesprächs, ggf. Ausarbeitung weiterer Erkenntnisse, Diktat und Korrekturlesung etc.
Selbst bei guter Vorbereitung und langjähriger Erfahrung sind davor realistisch 2 – 3 Tage insgesamt veranschlagbar. Ich denke, Ihre Abrechnung mit den Versicherungen/dem Gericht wird vergleichbares in Stunden ergeben.
Das Jahr hat unter Auslassung von Wochenenden, Urlaub etc 365 Tage.
Selbst wenn ich davon ausgehe, dass nur 50% dieser 1000 Gutachten sogenannte große Gutachten sind – also solche ohne Patient und nur nach Aktenlage und ohne dass die Aktenlage großen Aufwand bedeutet – bleiben dann 500 Gutachten mal 5 Tage = 2500 Tage.
Selbst wenn ich die Tatsache der anderen 50% der Gutachten, die Tatsache, dass Sie nicht nur gutachterlich sondern auch anderweitig tätig sind, dass Sie keine Urlaub machen und jedes Wochenende durcharbeiten und und und ausser Acht lasse –
ich denke Sie werden verstehen, dass ich da in arge Zweifel gerate, dass die Gutachten nach obig genannten Fachstandard unter Berücksichtigung des gesamten Akteninhalts unter vollständigen Verwertung und Abgleich der Anknüpfungs- und Beefundtatsachen stehen.
Mit freundlichem Gruß