Grüß Dich, Source 88,
das ist sehr schön, dass Du zu uns gefunden hast. Ab jetzt kann es eigentlich nur noch bergauf gehen. Aber: Du musst am Ball bleiben. Mit ein, zwei oder drei Beträgen wird Dein Unfall nicht aufgearbeitet sein.
01
Erstmal: Wie geht das Prinzip, nach dem alles läuft? Hat man das mal drauf, geht schon vieles leichter:
§ 249 BGB sagt: Du musst so gestellt werden, als wäre der Unfall nicht gewesen.
Das bedeutet: Du fragst immer:
(a) Was ist tatsächlich los?
(b) Was wäre gewesen, wenn der Unfall nicht gewesen wäre?
Die Lücke dazwischen: Das ist der Schaden. Und der ist Dir so gut es geht auszugleichen.
Das ist sozusagen das Grundgesetz. Der Schlüssel zum "Aha, so geht das!".
02
Tatsächlich kannst Du Verdienstentgang bis an Deine Rentengrenze verlangen:
Das macht man (jetzt mal: vereinfacht!) so:
(a) Was hättest Du netto in der Tasche, wenn der Unfall nicht gewesen wäre?
Sagen wir mal: 1.700,00 Euro/Monat. Aha. Das ist das "Soll".
(b) Was hast Du wirklich in der Tasche? Das ist das "ist":
- Zunächst: Lohnfortzahlung (in gleicher Höhe wie den Lohn: Also fehlt in den erstem 6 Wochen in der Regel nichts, kein Schaden daher)
- Dann Krankengeld/Verletztengeld: Schon weniger als der "Lohn, Unfall weggedacht".
Da entsteht schon mal ein Schaden.
- Wenn Du in Erwerbsminderungsrente, in Hartz IV ect reingerätst, dann wird der Schaden größer.
03 VORSICHT, FALLEN!
(a) Verdienstentgangszahlungen eines Versicherers müssen versteuert werden. Vergiss das nicht!
Und wer erstattet Dir die Steuer? Der Versicherer des Unfallopfers. Denn: Unfall weggedacht, hätte der Arbeitgeber die Steuern abgeführt. So aber besteht der Schaden in der Pflicht, selbst die Steuern zahlen zu müssen.
(b)
Lass Dich ja nicht abfinden: Auch nicht mit vielen Hunderttausend Euro! Denn das ist eine ganz dumme Sache - da haben sich schon viele Geschädigte um Kopf und Kragen gebracht:
Der Versicherer wird voraussichtlich vorschlagen:
(ba)
Zunächst wird er Deinen Nettolohn zusammenrechnen, der bis zur Rente zusammen kommt.
Da ist die erste FALLE:
Da wird er natürlich "vergessen", dass es Lohnsteigerungen gibt. Du bist 25, glaubst Du, dass in 40 Jahren der gleiche Lohn verdient wird? Ich kenne einen Mann, der bekam den Lohn eines angestellten Lehrers im Jahr 1962 abgefunden. Den Lohn hat er immer noch: DM 1.000,00 (= 511,00 Euro!) verdiente 1962 ein Lehrer. Der Mann bezieht heute Sozialhilfe.
(bb)
Weiter wird der Versicherer so 3,0 - 4,5 % Abzinsung vorschlagen.
Die Abzinsung berücksichtigt, dass Du das Geld im Lauf von Jahren allmählich verbrauchst. Was Du heute nicht brauchst, kannst Du bei der Bank anlagen, da gibt's Zinsen dafür. Damit Du nicht zuviel bekommst, bekommst Du weniger Geld, so dass das, was Du kriegst, zusammen mit den zwischenzeitlichen Zinsen gerade so viel ist, dass es gerade langt.
NUR: AUCH DAS IST EINE FALLE:
Wenn Du im Ergebnis 3,5 % Zins haben willst, dann brauchst Du in Wirklichkeit viel mehr: 4,67 % Zinsen. Denn von den Zinsen, die man Dir in der Bank nennt, geht die Zinsabschlagsteuer (= 25 % des Zinsertrages) weg. Um 3,5 % zu bekommen, brauchst Du 4,67 %. So was gibt's in seriösen Anlagen seit 10 Jahren nicht mehr. Oder willst Du auf die Sicherheit griechischer Staatsanleihen setzen?
BEDENKE: Die Lebensversicherer jammern zur Zeit dem Wirtschaftsminister die Hucke voll, weil sie die 1,75 % (!) Mindest-Garantie-Zins nicht mehr herbringen, auf die der Versicherte Anspruch hat. Der Minister soll das Gesetz ändern lassen. Also: Diese großen Geldhäuser bringen keine 1,75 % mehr zusammen, aber Du sollst das doppelte erzielen können, das ist ja dummes Zeug!
(bc)
Das Risiko der Geldanlage hast dann Du, nicht der Versicherer. Was ist denn, wenn Deine griechischen Staatsanleihen auf einmal nichts mehr wert sind? Dann schaust Du dumm!
Wer Risiken übernimmt, bekommt dafür Prämie, das sollte eigentlich einem Versicherer einleuchten. Wetten, dass es ihm bei den Gesprächen nicht einleuchtet?
04
Ich habe schon x-mal Vorschläge von Versicherungen bekommen, die wollten den Netto-Verdienstentgang kapitalisieren und dann abzinsen, und das war's.
In einem Vorschlag: 450.000,00 Euro. Das Gericht kommentierte es: "Das ist doch ganz ansehnlich, das sollten Sie sich aber überlegen!".
Reaktion auf der Seite des Geschädigten: "Sind denn neuerdings die Finanzämter abgeschafft? Wenn das bezahlt wird, muss es versteuert werden: Da sind dann weit über 100.000 Euro weg!"
Wie seriös das Angebot war, sah man kurz danach. Der Versicherer erhöhte es von 450.000,00 auf 750.000,00 Euro! . Aber auch das war zu wenig. Aber an dem Aufschlag von 300.000,00 Euro siehst Du, wie "gut" das erste Angebot war!
05
Ich sags ja: "Abfindung: Gefährlich wie die Klapperschlange!"
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Bleib immer fest im Forum und frag uns Löcher in den Bauch. Du wirst noch viele, viele Tipps brauchen!
ISLÄNDER