Berechnung des JAV nach Abs. 2 S. 1 (Auffüllen von Ausfallzeiten = Zeiten der Nichtbeschäftigung): Abs. 2 S. 1 will verhindern, dass der niedrigere Lebensstandard, der während der Zeit des Ausfalles von Arbeitsentgelt im Allgemeinen besteht und in der Regel nicht lange anhält, zum Maßstab für die gesamte Laufzeit der Rente gemacht wird (vgl. BT-Drs. IV 120 S. 57). Deshalb ist für die Ausfallzeiten ein fiktives Arbeitsentgelt zu ermitteln.
Der Versicherte muss während der 12 Kalendermonate vor dem Versicherungsfall mindestens für einen Tag Arbeitsentgelt bezogen haben ("belegten Zeiten"); eine Ausfüllung der gesamten Kalendermonate vor dem Versicherungsfall mit fiktivem Arbeitsentgelt ist nicht zulässig (BSG, SozR 2200 § 571 Nr. 23). Soweit während der 12 Kalendermonate kein Arbeitsentgelt bezogen wurde, ist der Mindest-JAV gem. § 85 heranzuziehen (Thüringer LSG, 28. 7. 2004, HV-Info 9/04, 754; Kunze, LPK-SGB VII § 82 RN 10; a. A. Benz, NZS 2000, 24, 26 1. "§ 82 Abs. 2 S. 1 analog").
Die Ursachen der Ausfallzeiten sind unerheblich: Krankheit oder Arbeitslosigkeit (BSGE 44, 12, 14 = SozR 2200 § 571 Nr. 10), Kurzarbeit (BSG, SozR 2200 § 571 Nr. 15; HV-Info 10/1998, 954), Aufnahme einer unentgeltlichen Tätigkeit (BSGE 51, 178, 181 = SozR 2200 § 571 Nr. 20: Voluntär), unbezahlter Urlaub (BSGE 28, 274, 275 = SozR Nr. 1 zu § 571 RVO; BSGE 51, 178, 180). Sie kann unfreiwillig oder auf Grund eigener Willensentscheidung des Versicherten eingetreten sein (Krasney/Burchardt, § 82 RdNr. 34).
Ist der Lebensstandard des Versicherten jährlich wiederkehrend von entgeltlosen Zeiten geprägt (Saisonarbeiter, Künstler, vgl. BSGE 51, 178 = SozR 2200 § 571 Nr. 20; SozR 2200 § 571 Nr. 21), widerspricht das Ausfüllen dieser Zeiten dem Sinn der Vorschrift: entsprechende Unbilligkeiten sind über § 87 zu korrigieren. Bei unbezahltem Urlaub wird sich der Betroffene in der Regel auf die Verdienstminderung eingestellt haben: kein Auffüllen (vgl. BSGE 51, 178 = SozR 2200 § 571 Nr. 20; SozR § 571 Nr. 21).
Dabei ist a) auf 12 Kalendermonate vor dem Versicherungsfall abzustellen. Ein Zurückgreifen auf frühere Zeiträume ist nicht zulässig, da das Gesetz von einer möglichst zeitnahen Berechnungsgrundlage ausgeht (BT-Drs. 13/2204), b) für den Zeitraum, in dem Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wurde, ist der Durchschnittswert zu ermitteln (§ 187 Abs. 4); zeitraumbezogene Sonderzahlung (z. B. Weihnachts- und Urlaubsgeld) sind anteilig zu berücksichtigen; bei gekürzter Sonderzahlung (z. B. nach Dauer der Betriebszugehörigkeit) wird die Ausfallzeit anteilig aufgefüllt (unklar HV-Info 26/1997, 2460); c) mit diesem Wert sind jene Zeiten aufzufüllen, in denen kein Arbeitsentgelt bzw. -einkommen bezogen wurde. Dabei ist zu unterscheiden: d) Bei den mit Arbeitsentgelt oder -einkommen belegten Zeiten des JAV-Zeitraums handelt es sich ausschließlich um volle Kalendermonate: Das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt/-einkommen wird mit der Zahl der Monate multipliziert, die nicht mit Arbeitsentgelt/-einkommen belegt sind. Das Ergebnis wird durch die Zahl der Kalendertage (Monate) dividiert, die belegt sind. Die Summe dieses fiktiven Betrages und des tatsächlich erzielten Entgelts/Einkommens (ggf. + Einmalbetrag, s. b) ist der JAV, wobei die Summe aus tatsächlich bezogener Einmalzahlung und Auffüllbetrag den Betrag eines ganzjährig Beschäftigten nicht überschreiben darf. Diese Berechnung folgt § 96 Abs. 5 i. V. m. § 187 Abs. 4 (s. auch HV-Info 36/1999, 3382). e) Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen sind nicht ausschließlich in vollen Kalendermonaten erzielt worden: Der tatsächlich in JAV erzielte Verdienst wird mit der Zahl der Kalendertage multipliziert, in denen Arbeitsentgelt oder -einkommen nicht erzielt wurde. Dabei zählt jeder Kalendermonat mit 30 Tagen (vgl. § 187 Abs. 4 S. 2). Das Ergebnis wird durch die Zahl der Kalendertage dividiert, in denen das Entgelt oder Einkommen erzielt wurde. Die Summe dieses Betrages und der tatsächliche Verdienst ist der JAV.
Beispiel:
Arbeitsentgelt erzielt vom 11. 8. bis 31. 12. 98 = 21 000,00 Euro, vom 1. 1. bis 10. 8. 98 Arbeitslosigkeit
Also: Verdienst wurde erzielt an 141 Kalendertagen ( v. 11. 8. bis 31. 8. 98 = 21 Tage, September bis Dezember 120 Tage). Der Auffüllzeitraum zählt 219 Kalendertage (Januar bis Juli 210 Tage, August nur 9 Fehltage, weil 21 entgeltbelegte Tage).
Folglich: 21 000,00 Euro × 219 (Auffülltage)
= 4 599 000,00 Euro : 141 (Verdiensttage)
= 32 617,02 Euro Entgelt für Fehlzeit.
JAV gem. § 82:
tatsächliches Entgelt = 21 000,00 Euro
+ aufgefülltes Entgelt = 32 617,03 Euro
53 617,02 Euro
Fällt ein einziger Ausfalltag in einen Monat mit insgesamt 31 Tagen, ist das tatsächlich erzielte Arbeitseinkommen oder
Arbeitsentgelt auf 29 Tage zu beziehen und daraus das Entgelt oder Einkommen für den Ausfalltag zu ermitteln. Nur so ist den gesetzlichen Vorgaben zu entsprechen, bei der Berechnung von Ausfallzeiten generell von 30 Tagen im Kalendermonat auszugehen, bei den erzielten Einkünften anzusetzen und Ausfallzeiten auch aufzufüllen.
Die Berücksichtigung von Wochenenden bei den Ausfallzeiten oder aber bei Zeiten, die mit Einkünften belegt sind, richtet sich nach der Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses. Endet dieses z. B. an einem Freitag, ohne dass am nachfolgenden Samstag ein neues Beschäftigungsverhältnis beginnt, ist das Wochenende als Ausfallzeit zu berücksichtigen.
f) Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen sind nur stundenweise nicht erzielt worden: Das Auffüllen hat auch zu erfolgen, wenn der Versicherte im JAV-Zeitraum an bestimmten Kalendertagen, z. B. infolge von Kurzarbeit, kein ganztägiges Arbeitsentgelt erzielen konnte (BSG SozR 2200 § 571 Nr. 15). Denn § 82 Abs. 2 S. 1 spricht von "Zeiten", in denen der Versicherte kein Arbeitsentgelt oder -einkommen bezogen hat, ausdrücklich also nicht von Tagen. Um bei der Berechnung des fiktiven Verdienstes den Grundsätzen des § 187 Abs. 4 gerecht zu werden, muss auf Kalendertage abgestellt werden mit der Folge, dass Stunden, in denen Entgelte ausgefallen sind, so addiert werden, dass sich der tariflich vorgesehene Stundeninhalt eines ganzen Kalendertages ergibt. Anschließend ist wie unter e) zu verfahren:
Beispiel:
Versicherter hat ganztägig Arbeitsentgelt erzielt vom 1. 1. 98 bis 30. 4. 98 = 12 000,00 Euro, vom 1.6.98 bis 31. 12. 98 = 17 500,00 Euro.
Vom 1. 5. 98 bis 31. 5. 98 erzielte der Versicherte wegen durchgehend 1/2-tägiger Kurzarbeit nur Arbeitsentgelt in Höhe von 1500,00 Euro.
Also: Verdienst wurde erzielt an 345 Kalendertagen:
vom 1. 1. bis 30. 4. 98 = 120
vom 1. 5. bis 31. 5. 98 = 15 (= 30 : 2)
vom 1.6. bis 31. 12. 98 = 210
Folglich: 31 000,00 Euro × 15 (Auffülltage im Mai 1998) = 465 000,00 Euro: 345 (Verdiensttage) = 1347,83 Euro Entgelt für die durch Kurzarbeit ausgefallenen Stunden.
JAV gem. § 82:
tatsächliches Entgelt = 31 000,00 Euro
+ aufgefülltes Entgelt = 1 347,83 Euro
32 347,83 Euro
Zufällige Schwankungen des vor oder nach der Ausfallzeit bezogenen Entgelts können ein unangemessen großes Gewicht für die Berechnung des JAV erlangen (BSGE 43, 204, 205 f.). Diese und andere erhebliche Unbilligkeiten sind über § 87 auszugleichen.