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Behandlungsfehler durch Kostendruck!

Santafee

Erfahrenes Mitglied
Registriert seit
11 Okt. 2007
Beiträge
1,591
Hallo,

durch den Druck, Kosten einzusparen kommt es immer öfter zu schwersten Patientenschädigungen und sogar zu Todesfällen! Beispiele dafür sind z.B.
- durch Pflegepersonal übernommene ärztliche Aufgaben bei der Anästhesie
- Übertragung pflegerischer Aufgaben durch Angehörige (Überwachung von Kindern nach der Narkose)
- Erlössteigernde Erhöhung von OP-Zahlen pro Zeiteinheit bei gleichzeitiger Verminderung der Qualifikation von Ärzten

RA Dr. Wolfgang Bruns: "Behandlungsfehler sind häufig das Ergebnis von Systemfehlern im Krankenhaus oder in der Praxis, die in ihren gefährlichen Auswirkungen zwar bekannt, aber aufgrund wirtschaftlichen Drucks beibehalten oder sogar neu eingeführt werden."

Unglücksfälle werden allso billigend in Kauf genommen, aber rechtlich werden oft "nur" die Ärzte selbst belangt, bisher nie die Manager!

Bruns:"Die ärztlichen Gutachter sind aufgerufen, auch die Organisationsstruktur eines Krankenhauses zu untersuchen und die übergeordnete Verantwortlichkeit, zum Beispiel des Krankenhausgeschäftsführers zu verdeutlichen."

aus: "Deutsches Ärzteblatt Heft 42", 16.10.2009, S. C 1727

Ich frage mich nur, warum Ärzte dies zulassen und ihre Karriere aufs Spiel setzen? Wir sind wohl alle nur Marionetten:eek:... jeder in seinem eigenen "Puppentheater":rolleyes:...

VG Santafee:mad:
 
Hallo,

ich zitiere ergänzend aus dem Vorwort einer Dissertation (pdf) aus dem Jahre 2002: http://deposit.ddb.de/cgi-bin/dokserv?idn=969765096&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=969765096.pdf
Seine Vorbildfunktion hat das deutsche Gesundheitswesen in den letzten Jahren einbüßen müssen, nachdem international ausgelegte Studien – aber auch nationale Analysen – Deutschland wiederholt eine ungünstige 'Ziel-Mittel-Relation' attestierten.

In der Tat liegt die Lebenserwartung in Deutschland unter dem Durchschnitt der Länder der Europäischen Union und sie hat sich in den letzten zehn Jahren langsamer entwickelt als in vielen seiner Nachbarländer. Im OECD-Vergleich der Sterblichkeit für wichtige Volkskrankheiten zeigen sich für Deutschland entweder durchschnittliche oder knapp über dem Durchschnitt
vergleichbarer europäischer Länder und der Vereinigten Staaten liegende Werte (KapitelI). Vergleicht man etwa die Sterblichkeit aufgrund eines Schlaganfalls, Diabetes mellitus, Darmkrebs und Brustkrebs in Deutschland mit der Sterblichkeit in Frankreich, Italien, England, Finnland, Schweden und den Niederlanden, so belegt Deutschland für jede dieser Erkrankungen einen der drei schlechtesten Plätze (Glaeske/Lauterbach 2002:27ff).

Diesen gravierenden Qualitäts- bzw. Effektivitätsproblemen stehen im internationalen Vergleich über dem Durchschnitt liegende Ausgaben gegenüber. Deutschland hat die höchsten Ausgaben,relativ und absolut, für Gesundheit in Europa (ebenda). 'Spitzenplätze' belegt Deutschland
ebenso bei der Zahl der Ärzte und Krankenhausbetten pro Einwohner und bei der Krankenhausverweildauer mit entsprechenden Konsequenzen für die Beitrags- und Kostenstruktur.

Diese Situation ist nicht von heute auf morgen entstanden, sondern beruht auf erheblichen Strukturmängeln im deutschen Gesundheitswesen, die sich durch eine langjährige Fehlsteuerung bzw. fehlgeschlagene Steuerungsversuche gefestigt haben.

Fehlsteuerung bzw. uneffektive Steuerung sind wiederum auf die Eigenart des deutschen Gesundheitssystems zurückzuführen. Die Strukturen dieses Systems sind über Jahrzehnte zu einem kaum steuerbaren Geflecht von Wirtschafts-, Standes-, und politischen Interessen gewachsen, in dem die „Hypostasierung“ (Bauch 1996:56f) bzw. Optimierung der jeweils eigenen
Funktion im Vordergrund steht (Glaeske/Lauterbach 2002:2; Ferber v. 2001:656). Diese Tendenz führte zur Entstehung einzelner Rationalitäten, zu einer Fragmentierung von Planungs- und Versorgungsprozessen, zu einer zunehmenden Intransparenz im Leistungsgeschehen und zur Bildung ausdifferenzierter Versorgungsbereiche.

Diese über Jahrzehnte fortschreitende Desintegration und Ausdifferenzierung des Gesundheitssystems manifestiert sich heute nicht nur in Form einer ungünstigen Ziel-Mittel-Relation, sondern darüber hinaus in einer Parallelität von Über-, Unter- und Fehlversorgung - ein Phänomen, das mittlerweile als
das Kernproblem auf dem Weg zu einem bedarfsgerechten, patienten- und effizienzorientierten Gesundheitssystem betrachtet wird (Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 2000/2001. Band III).

Die Gesundheitspolitik des Bundes ist traditionell von einer Kostendiskussion geprägt. Nicht die oben skizzierten Struktur- und Qualitätsmängel und deren Bearbeitung standen im Vordergrund der zahlreichen Gesundheitsreformgesetze und Reformstrategien der 70er, 80er und
zum Teil 90er Jahre, sondern das Oberziel der Beitragsstabilität in der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Liebe Grüße
 
...die meisten Behandlungsfehler passieren nicht durch Assistensärzte, sondern den erfahrenen Operateuren, wahrscheinlich, weil sie zu routiniert, zu gestresst und von oben herab am Patienten vorbei arbeiten!

Nachzulesen hier:

http://www.rechtpraktisch.de/artikel.html?id=1723

VG Santafee
 
Hallo Santafee,

ich ordne die medizinischen Fehler an denen ich arbeite unterschiedlichen Bereichen zu:

1.) Kommunikationsproblem = Organisationsproblem
Bsp. 1: Ein erfahrener Konsilarzt beschreibt seine Erkenntnisse handschrifltich auf einem Blatt Papier. Diese Papier dient den mitbehandelnden Ärzten als Arbeitsgrundlage. Aus der Interpretation des beschrieben ergeben sich andere Schlussfolgerungen, als das was der Arzt tatsächlich meinte. Aber das stellte sich erst heraus als es zu spät war.
Bsp. 2: Ein Internist soll eine konsiliarische Untersuchung durchführen. er wird auch nach der Medikation befragt. Der Internist empfiehlt die Medikation weiter zu geben. Allerdings hat der die konsiliarische Untersuchung beauftragende Arzt vergessen die komplette Medikation anzugeben, nämlich nur die durch ihn verabreichten. Die Medis, die der Patent langjährig zuvor einnahm (und von denen der beauftragende Arzt wusste), hatte er dem Internisten nicht mitgeteilt.

2.) Profiversagen = Zeit-/Ehrgeizproblem
Der erfahrene Arzt sollte in einer Routine-OP zwei interne Fixateure entfernen. Aber beim zweiten Fixateur klemmt eine Schraube. Statt nun die erlernten richtigen Verfahren zur Entferneung der klemmenden Schraube zu nutzen, probiert er mit dem Meisel die Schraube zu lockern. Er rutscht ab und bricht der Knochen.
Da für eine OP nur eine bestimmte Zeit eingeplant ist und da der Chirurg in eine Unzahl von gleichen Operationen zum Erfolg kam, musste es in diesem Fall doch auch gehen.
Aus der für ca. 45 min. angesetzten Operation wurden durch den Fehler 4 Stunden. Hinterher musste sich der Patient die Beschwerde anhören, dass es 4 Stunden gedauert habe.
(Das war ein BG-Krankenhaus, aber das nur am Rande.)

3.) Kompetenzmangel = Organisationsproblem
Eine Assistenzärztin betreut eine kritische Patientin. Trotz richtiger Diagnose zur Einweisung, wird diese Diagnose verworfen und nicht unmittelbar behandelt. Dieser Fehler vergrößert sich durch eine falsche Medikation. Qualifizierte Kontrollen, die das falsche Verhalten korrigieren konnten, fehlten offensichtlich.

4.) Falsche Beurkundung zur Vertuschung von Fehlern = Managementfehler
Aufgrund der falsch interpretierten Angaben aus 1.), kam es in der Folge zu falschen Diagnosen. Diese falschen Diagnosen wurden dokumentiert (z.B. Arztbrief). Danach wurde ein Anwalt beauftragt, innerhalb einer gütlichen Einigung die Diagnosen zu korrigieren.
Das Management weigerte sich. Vermutlich erfolgte diese Weigerung, damit die vorherigen Fehler nicht offensichtlich werden.

Bei meinen Klagen, werde ich jedenfalls auch das Organisationsverschulden ansprechen. Allerdings wird es natürlich richterlich entschieden, ob es beweisbar und kausal relevant vorlag.
Und ich befürchte, dieses wird angesichts der anderen Fehler in den Hintergrund treten.

Insgesamt erscheint mir dass alles als ein Mix aus den unterschiedlichsten Ursachen und in dem Artikel ist es ja gut beschrieben. Das primäre Ziel der Gesundheitspolitik ist nicht das beste Preis-Leistungsverhältnis, sondern lediglich der geringste Preis. Diese Vorgabe, innerhalb des medizinisch-juristischen Rahmens, erzeugt Potential für Mängel an allen Ecken und Enden.

Im übrigen können eigentlich unerfahrene Ärzte nicht mehr oder weniger Fehler machen, als die erfahrenen Ärzte. Denn eigentlich ist definiert, dass die lernenden Ärzte durch erfahrene begleitet ("überwacht") werden. Der Fehler eines Assistenzarztes ist als auch immer ein Fehler seines/seiner Ausbilder.

Grüße
oohpss
 
Hallo oohpss,

es ist prinzipiell so geregelt, daß in einem Krankenhaus der Chefarzt der Abteilung die Verantwortung trägt für Behandlungsfehler, außer bei deliktischen Vergehen. Hat eine Pfleger oder Krankenschwester oder Oberarzt einen Behandlungsfehler begangen, so hat ihn der Chefarzt begangen.

Ebenso in einer Praxis, für den Fehler den eine Arzthelferinn verursacht trägt der Arzt die Verantwortung!

gruß

Hollis
 
Hallo Hollis,

das gilt für "persönliche" Fehler, aber bei einem Organisationsverschulden ist das Management dran, soweit es sich um grundsätzliche Mängel handelt.
Wenn wir also den behandelnden Arzt anklagen, weil z.B. die Assistenzärztin eine falsche Medikation verordnete, und sich dann herausstellt, dass es aufgrund zu wenig angestellter Ärzte gar keine Möglichkeit gab, dass ein richtige Kontrolle erfolgen konnte, ist das ein Organisationsversagen.
Und das gehört der "Unternehmensleitung".
Es gibt da ein paar beispielhafte Urteile.

Aber tatsächlich ist es recht schwierig an das Management anhand Behandlungsfehler heranzukommen.
Schaun wa ma ... :rolleyes:

Grüße
oohpss
 
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