Da demnächst wieder die Rentenbescheide anstehen, hier Argumentationhilfen für den Widerspruch.... Wer aufgrund einer Krankheit erwerbsgemindert ist, bitte die entsprechenden Passagen mit Bezug auf den Unfallverursacher auslassen.
Der Gesetzgeber bestraft mich mit der Rentenkürzung von 10,8 % für einen Tatbestand, für den ich nicht verantwortlich bin, denn für meine Erwerbsunfähigkeit und die Schwerbehinderung ist der Unfallverursacher verantwortlich. Hier greift zwar teilweise der Regress des Sozialversicherungsträgers, wovon ich als Unfallopfer und Rentenempfänger allerdings nicht profitiere, sondern durch die Gesetzgebung wiederrum geschädigt werde. Auf diesen Punkt werde ich später noch gesondert eingehen.
Hinsichtlich des 10,8 %-igen Abschlags bei der vorzeitigen Rentengewährung hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 16. Mai 2006, Az. B 4 RA 22/05 entschieden, dass die Kürzung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrenten vor dem 60. Lebensjahr nicht verfassungsgemäß ist.
Nur wenige Monate später hat der 5. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 14. August 2008, Az. B 5 R 98/07 entschieden, dass die Kürzung nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung verstößt. Es wird begründet, dass wegen der Überalterung der Gesellschaft der Gesetzgeber die Rentenabschläge für den Fall eingeführt hat, dass vor dem 65. Lebensjahr eine Rente bezogen wird. Dies gilt auch für Erwerbsminderungsrentner, die sich den verfrühten Renteneintritt nicht selbst erwählt haben sondern aus gesundheitlichen Gründen dazu gezwungen sind.
Der Ermessensspielraum, den das Bundessozialgericht dem Gesetzgeber im Jahr 2008 bei der Kürzung der Erwerbsminderungsrenten noch zugestanden hatte, ist mit der Neuregelung der Erwerbsminderungsrenten ab dem 1. Juli 2014 hinfällig geworden. Es ist nicht ersichtlich, dass nun der nur noch sehr kleine Kreis von Erwerbsminderungsrentenempfängern, deren Rente im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2014 bewilligt wurde, finanziell in der Lage sein kann die demographische Entwicklung und die damit zunehmende Belastung der Rentenkasse aufzufangen.
Die ab 1. Juli 2014 geltende Gesetzgebung verstößt jetzt aber auch gegen den Gleichheitsgrundsatz, denn die Personengruppe, die zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 1. Juli 2014 die Erwerbsminderungsrente bewilligt bekam, ist willkürlich erkoren und stellt von allen Erwerbsminderungsrentnern nur eine kleine Gruppe dar, die alleinig benachteiligt wird. Der Gesetzgeber verlangt in Art. 3 GG Gleiches gleich zu behandeln. Mit der Neuregelung der Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Juli 2014 ist dies nicht mehr vereinbar, sondern die Gesetzesreglung verstößt gegen das Willkürverbot, weil offensichtlich sachfremde Gesichtspunkte Veranlassung geben eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass dies die ungleiche Behandlung gerechtfertigt werden kann.
Zur Abschwächung der finanziellen Nachteile durch die frühe Gewährung der Erwerbsminderungsrente hat der der Gesetzgeber Zurechnungszeiten entwickelt. Diese sind rentenrechtliche Zeiten, welche gewährleisten sollen, dass Versicherte, die eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten, keine zu niedrige Rentenzahlung erhalten. Insofern soll durch die Berücksichtigung einer Zurechnungszeit in der Rentenberechnung hier ein sozialer Ausgleich stattfinden. Tritt nämlich die Erwerbsminderung sehr frühzeitig ein, würde sich aufgrund der unter Umständen erst sehr geringen vorhandenen rentenrechtlichen Zeiten eine sehr geringe Rente errechnen.
Mit der Zurechnungszeit – die in § 59 SGB VI gesetzlich geregelt ist – stellt der Gesetzgeber sicher, dass ab Eintritt der Erwerbsminderung bzw. ab dem Tod des Versicherten die bereits vorhandenen rentenrechtlichen Zeiten verlängert werden.
Wann die Zurechnungszeit endet, ist aber danach zu unterscheiden, ob die Rente vor oder ab dem 01.01.2004 begonnen hat.
Bei einem Rentenbeginn vor dem 01.01.2004 (also bis einschließlich 31.12.2003) wird die Zurechnungszeit in zwei Stufen ermittelt. Die Zeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres wird im vollen zeitlichen Umfang berücksichtigt. Die Zeit ab Vollendung des 55. Lebensjahres bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres wird nur teilweise berücksichtigt. Hier kommt die sogenannte Vierundfünfzigstelberechnung zum Tragen. Das heißt, dass die Zurechnungszeit mit X/54 berücksichtigt wird.
Meine Rente wurde so berechnet, als hätte ich nur bis zum 57. Lebensjahr gearbeitet. Dies ist eine eklatante Schlechterstellung zu den Leistungsbeziehern vor geltendem Recht bis 01.01.2004 und nach ab 1. Juli 2014 geltendem Recht, denen Beitragszahlungen bis zum vollendeten 62. Lebensjahr unterstellt werden. Diese erhalten Leistungen daher mit rund fünf Jahren längerer fiktiver Beitragszahlung. Es ist nicht ersichtlich aus welchen Gründen ich hier schlechter gestellt seien soll als andere Leistungsbezieher, womit der Gesetzgeber wiederholt gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen hat.
Da ich aufgrund eines Unfalls voll erwerbsgemindert wurde, soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers der Regress der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 119 SGB X greifen. Der Sozialversicherungsträger hat dieses Regressverfahren bereits erfolgreich für einige Jahre in der Vergangenheit betrieben und wird dies wohl auch in Zukunft bis zum Eintritt meiner Regelaltersrente im Jahr XX tun. Da der Sozialversicherungsträger somit keine Beitragsausfälle für mein Rentenkonto zu verzeichnen hat, wäre es sozial gerechtfertigt, dass zumindest die Altersrente abschlagsfrei ausgezahlt wird. Aber auch hier wird das Unfallopfer schlechter gestellt als die wegen Krankheit erwerbsgeminderten Rentner, für die kein Beitragsregress durchgeführt werden kann, denn gemäß § 77 SGB VI ergibt sich, dass für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibt.
Im Regressverfahren werden die Beiträge eingefordert, die durch den Eintritt des Schadenfalles verloren gegangen sind. Der Gesetzgeber hat dabei aber nicht beachtet, ob und ggfls. in welcher Höhe in Fall einer vorzeitigen Rentengewährung Abschläge anfallen. Die Beitragsanteile, die aufgrund der Abschläge nicht in die Rentenzahlung einfließen, verbleiben damit beim Rententräger. Somit bereichert sich der Sozialversicherungsträger noch am Schadensereignis des Unfallopfers, was als zutiefst unsozial empfunden wird und gegen jedes gängige Rechtsempfinden verstößt.
Mit der Neueinführung der Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Januar 2001 ergibt sich wie vorstehend ausgeführt eine Vielzahl von Benachteiligungen, die nach Vorstellung des Gesetzgebers vom Unfallverursacher auszugleichen sind, denn der Geschädigte soll zumindest materiell so gestellt werden, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Mit der Veränderung des Leistungsrechts zum 1. Januar 2001 greift das gesetzliche Rentenversicherungsrecht erstmals in Rentenversicherungspunkte ein, die vor dem Schadensfall entstanden sind. Im Beitragsregress werden jedoch nur Beitragsausfälle nach dem Schadensfall ausgeglichen und auch das wie vorstehend erläutert nur unzureichend. Aus diesem Grund kann das Prinzip des Beitragsregresses im Fall der Erwerbsminderungsrenten ab dem 1. Januar 2001 nicht (mehr) zu einem vollen Ausgleich des Rentenschadens führen.
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll das Unfallopfer aber zumindest materiell so gestellt werden, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Dafür wurden die §§ 823 ff. BGB entwickelt. Die materiellen und immateriellen Schäden, die der Schädiger dem durch Unfall Verletzten zu ersetzen hat, fallen unter den Begriff des Personenschadens. Zum Begriff des Personenschadens hat der BGH mit Urteil vom 08.03.2012 – II ZR 191/11 ausgeführt:
"Eine Vermögensbeeinträchtigung ist dann ein Personenschaden, wenn sie durch die Verletzung oder Tötung eines Menschen verursacht wird; hierunter fällt nicht nur der immaterielle Schaden (Schmerzensgeld), sondern auch jeder mittelbare materielle Vermögensschaden als Folge der Körperverletzung (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 55/06, NJW-RR 2007, 1395 Rn. 8; Urteil vom 12. Juni 2007 - VI ZR 70/06, VersR 2007, 1131 Rn. 11; BAG, NJW 1989, 2838; 2003, 1890; 2004, 3360, 3361 f; OLG Saarbrücken r + s 1999, 374, 375; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtpro-zess, 26. Aufl., § 31 Rn. 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/ Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Bd. 3, 13. Aufl., Stand September 2010, § 104, Rn. 17 f; Waltermann in Eichenhofer/Wenner, Kommentar zum Sozialgesetzbuch VII, § 104 Rn. 17 f; Rapp in LPK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 24).“
Ebenfalls hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18.12.2007, Az. VI ZR 278/06 entschieden, dass der Sozialversicherungsträger Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung hat, soweit dies erforderlich ist, um den Geschädigten hinsichtlich seiner Alterssicherung so zu stellen, wie er ohne Schädigung stünde.
Zweifelsfrei ist die Kürzung der vor dem schädigenden Ereignis erwirtschafteten Rentenentgeltpunkte eine mittelbare Vermögensschadenfolge, denn ohne das schädigende Ereignis wäre das Unfallopfer nicht erwerbsunfähig geworden und die erwirtschafteten Rentenentgeltpunkte wären bis zur regulären Altersrente unangetastet geblieben. Mangels hinreichender Ausgleichfunktion des Beitragsregresses nach § 119 SGB X, denn die Kürzung der Rentenentgeltpunkte vor Eintritt des schädigenden Ereignisses werden nicht regressiert, ist das Unfallopfer daher nun auf den Zivilrechtsweg angewiesen, sagt der Gesetzgeber doch, dass der Schädiger für alle materiellen Schäden aufzukommen hat.
Im vorliegenden Fall versucht daher das Unfallopfer den nach dem Beitragsregress gemäß § 119 SGB X verbliebenen Rentenschaden, da der Sozialversicherungsträger aus vorstehenden Gründen seiner Treuhänderfunktion nicht ausreichend nachkommt, hinsichtlich der Beiträge die bis zum schädigenden Ereignis eingezahlt wurden als auch für die Beiträge, die nun nach dem schädigenden Ereignis noch eingezogen werden, gegen den Unfallverursacher geltend zu machen.
Die Zahlung von Beiträgen im Beitragsregress hat nämlich weitreichende Auswirkungen auf die Berechnung der Entgeltpunkte. Soweit Beiträge nach dem Beitragsregress eingezogen werden und der Geschädigte bereits Rentenbezieher ist, wird aus den ursprünglichen Vollbeiträgen einer Pflichtversicherung ein so genannter beitragsgeminderter Wert. Dieser Wert wird bei der sog. Vergleichsberechnung nach § 73 SGB VI sowie letztlich bei der Gesamtleistungsbewertung nach § 74 SGB VI in Abzug gebracht. Hierdurch ergeben sich Verschlechterungen der Bewertung beitragsfreier Zeiten und damit einhergehend eine deutliche Verringerung der Rente als wenn die Beträge ohne das schädigende Ereignis und ohne Beitragsregress eingezahlt worden wären. Ein besonderes Augenmerk ist hierbei auf die Auswirkungen bei den Mindestentgeltpunkten für geringes Arbeitsentgelt für Zeiten bis zum 31. Dezember 1991zu legen. Die nach dem 31. Dezember 1991 im Wege des Beitragsgresses eingebrachten Beiträge berühren diesen Wert. Sobald diese Beiträge mit einem Rentenbezug zusammenfallen, scheiden sie bei der Wertermittlung aus, da nur vollwertige und nicht beitragsgeminderte Entgelte berücksichtigt werden.
Erwerbsminderung gehört zu den Wechselfällen des Lebens, die zu sichern Verantwortung des sozialen Rechtsstaats ist. Bei Erlass des Grundgesetzes gehörte dazu schon zwei Generationen lang ein vorrangiges System, das nicht nur das Minimum abdeckt und dass – anders als Fürsorge – das Individuum auch ohne Einsatz von Unterhaltspflichtigen erworbenem Vermögens schützt, Freiheit sichert und dem verfassungsrechtlich geschützten Eigentum funktional gleichsteht. Entscheidet sich der Gesetzgeber für verpflichtende Vorsorge in der Sozialversicherung, müssen Beitrag und Leistung im angemessenen Verhältnis stehen BVerfG, Beschluss vom 26.6.2007, 1 BvR 2204/00; BVerfG, Beschluss vom 16.3.2006, 1 BvR 1311/96). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass allein erziehende Mütter einen überobligatorischen Beitrag leisten und unter besonderem Schutz des Grundgesetzes stehen.
Im Zusammenhang mit der Reformierung der Erwerbsminderungsrenten in 2001 hatte der Gesetzgeber gerade auch Verpflichtungen zu beachten, die die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation bereits über 30 Jahre zuvor übernommen hatte und die weiterhin rechtsgültig sind, siehe BGBl. 1970 II S. 813 und BGBl 1971 II S. 175.
Bereits 1967 hatte Deutschland das ILO-Übereinkommen Nr. 128 über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene ratifiziert. In Bezug auf die Sicherung bei Invalidität besteht danach die völkerrechtliche Verpflichtung, wiederkehrende Zahlungen bei Invalidität vorzuhalten, die mindestens den Fall mit umfassen, dass ein andauernder „vorgeschriebene[r] Grad der Unfähigkeit zur Ausübung irgendeiner Erwerbstätigkeit“ zumindest für einen bestimmten Zeitraum vorliegt, Artikel 8 ILO Konvention 128. Dabei hat Deutschland sich auch zu einem festen Mindestsicherungsniveau verpflichtet, welches systematisch an den früheren Verdienst des Leistungsempfängers anknüpft, Art. 10, 26ff. ILO Konvention 128. Grundsätzlicher Referenzpunkt ist ein Sicherungsniveau von 50 % des früheren Verdienstes (vor der Invalidität), Tabelle zu Teil V der ILO Konvention 128.
Die geltende Gesetzgebung verstößt damit gegen bereits bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen und benachteiligt die Antragstellerin in erheblichem Maße, da das Sicherungsniveau von 50 % des früheren Verdienstes vor der Invalidität deutlich unterschritten wird, was zwischen den Parteien unstreitig ist und die z.Zt. geleistete volle Erwerbsminderungsrente nicht einmal das Existenzminimum für die Antragstellerin und noch immer unterhaltsberechtigten Kinder abdeckt. Auch dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
Im Übrigen steht die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Verstoßes gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 128 bereits unter Beobachtung des zuständigen ILO-Ausschusses, vgl. „Direct Request“ (CEACR) an Deutschland zur ILO Konvention 128 – angenommen 2006, veröffentlicht in den Unterlagen zur 96. Sitzung der Internationalen Arbeitskonferenz (ILC) 2007.
Ebenfalls sieht das ILO-Übereinkommen Nr. 128 vor, dass bei Leistung der Rentenbeiträge, die zur Inanspruchnahme der Invaliditätsleistung berechtigen, die Leistung auch ungekürzt zu gewähren ist, Artikel 11 Abs. 1 b) ILO Konvention 128.
Im Zusammenhang mit Regelungen zur Erwerbsminderung ist insbesondere das besondere Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderungen nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG zu beachten. Damit steht die o.g. Regelung über Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten diametral zu dem Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderungen, denn das Merkmal der Erwerbsminderung ist stets eine Folge von Behinderung.
Entsprechend Art. 28 der Behindertenkonvention der Vereinten Nationen, auf die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung Bezug nimmt, haben auch Behinderte das Recht auf angemessenen Lebensunterhalt. Daraus ergibt sich der Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang für Leistungen in der Versorgung. Diesen durch Zwangsbeiträge eigens erwirtschafteten Versicherungsanspruch dann aber wegen der Behinderung zu kürzen und den Behinderten praktisch zu enteignen läuft dem Anspruch eines Sozial- und Rechtsstaates zuwider und verstößt gegen Völkerrecht.
Auf internationaler Ebene wurde zur Anerkennung der Rechte von Menschen mit Behinderung am 13. Dezember 2006 von der UN-Vollversammlung das „Übereinkommen über die Rechte behinderter Menschen“ (UN-BRK) verabschiedet. Dieses Übereinkommen steht aufgrund der Ratifikation in Deutschland seit dem 26.3.2009 im Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Der Begriff der Behinderung ist in dieser Übereinkunft offen und weit definiert. Zu den Menschen mit Behinderungen zählen danach Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren bei der Teilhabe behindern. Nach dieser Definition sind auch Menschen, die längerfristig erkrankt und daher erwerbsgemindert sind, in den Anwendungsbereich der Konvention einzubeziehen.
Die Ratifikation der UN-BRK hat zwingend Auswirkungen für die Auslegung der Regelungen zur Erwerbsminderung im Sozialrecht, da hierbei eine sog. völkerrechtskonforme Auslegung anzustreben ist. Es ist also bei Zweifelsfragen darauf zu achten, dass diese Regelungen nicht in einen Widerspruch zur UN-BRK treten.
Gemäß Art. 28 ist der soziale Schutz und die Verwirklichung des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard nach Artikel 28 UN-BRK von Deutschland anzu-erkennen. Dabei ist unter anderem auch der gleichberechtigte Zugang zu Leistungen und Programmen der Altersversorgung für Menschen mit Behinderungen zu sichern. Diese Vorgabe bedeutet also, dass auch Menschen mit einer Erwerbsminderungsrente beim Bezug einer Altersrente nicht auf Grund ihrer Erwerbsminderung schlechter gestellt werden dürfen. Eine mittelbare Diskriminierung ist daher näher zu untersuchen, wenn Erwerbsminderungsrenten mit Abschlägen in ihrer Höhe auf Altersrenten umgestellt werden, wie dies nach dem deutschen Recht der Fall ist. Dies ist insbesondere auch dann problematisch, wenn effektiv keine Möglichkeiten zur erforderlichen privaten Alterssicherung bestehen. Da in Deutschland die Sicherung der Erwerbsminderung an das System der Alterssicherung systematisch angekoppelt ist, sind insbesondere die Regelungen, die eine Verschlechterung der Leistungen für Menschen mit Behinderungen bedeuten, auch am Maßstab des Art. 28 UN-BRK zu beurteilen.
Macht was daraus
Gruß tamtam
Der Gesetzgeber bestraft mich mit der Rentenkürzung von 10,8 % für einen Tatbestand, für den ich nicht verantwortlich bin, denn für meine Erwerbsunfähigkeit und die Schwerbehinderung ist der Unfallverursacher verantwortlich. Hier greift zwar teilweise der Regress des Sozialversicherungsträgers, wovon ich als Unfallopfer und Rentenempfänger allerdings nicht profitiere, sondern durch die Gesetzgebung wiederrum geschädigt werde. Auf diesen Punkt werde ich später noch gesondert eingehen.
Hinsichtlich des 10,8 %-igen Abschlags bei der vorzeitigen Rentengewährung hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 16. Mai 2006, Az. B 4 RA 22/05 entschieden, dass die Kürzung des Zugangsfaktors bei Erwerbsminderungsrenten vor dem 60. Lebensjahr nicht verfassungsgemäß ist.
Nur wenige Monate später hat der 5. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 14. August 2008, Az. B 5 R 98/07 entschieden, dass die Kürzung nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung verstößt. Es wird begründet, dass wegen der Überalterung der Gesellschaft der Gesetzgeber die Rentenabschläge für den Fall eingeführt hat, dass vor dem 65. Lebensjahr eine Rente bezogen wird. Dies gilt auch für Erwerbsminderungsrentner, die sich den verfrühten Renteneintritt nicht selbst erwählt haben sondern aus gesundheitlichen Gründen dazu gezwungen sind.
Der Ermessensspielraum, den das Bundessozialgericht dem Gesetzgeber im Jahr 2008 bei der Kürzung der Erwerbsminderungsrenten noch zugestanden hatte, ist mit der Neuregelung der Erwerbsminderungsrenten ab dem 1. Juli 2014 hinfällig geworden. Es ist nicht ersichtlich, dass nun der nur noch sehr kleine Kreis von Erwerbsminderungsrentenempfängern, deren Rente im Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 30. Juni 2014 bewilligt wurde, finanziell in der Lage sein kann die demographische Entwicklung und die damit zunehmende Belastung der Rentenkasse aufzufangen.
Die ab 1. Juli 2014 geltende Gesetzgebung verstößt jetzt aber auch gegen den Gleichheitsgrundsatz, denn die Personengruppe, die zwischen dem 1. Januar 2001 und dem 1. Juli 2014 die Erwerbsminderungsrente bewilligt bekam, ist willkürlich erkoren und stellt von allen Erwerbsminderungsrentnern nur eine kleine Gruppe dar, die alleinig benachteiligt wird. Der Gesetzgeber verlangt in Art. 3 GG Gleiches gleich zu behandeln. Mit der Neuregelung der Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Juli 2014 ist dies nicht mehr vereinbar, sondern die Gesetzesreglung verstößt gegen das Willkürverbot, weil offensichtlich sachfremde Gesichtspunkte Veranlassung geben eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass dies die ungleiche Behandlung gerechtfertigt werden kann.
Zur Abschwächung der finanziellen Nachteile durch die frühe Gewährung der Erwerbsminderungsrente hat der der Gesetzgeber Zurechnungszeiten entwickelt. Diese sind rentenrechtliche Zeiten, welche gewährleisten sollen, dass Versicherte, die eine Rente wegen Erwerbsminderung erhalten, keine zu niedrige Rentenzahlung erhalten. Insofern soll durch die Berücksichtigung einer Zurechnungszeit in der Rentenberechnung hier ein sozialer Ausgleich stattfinden. Tritt nämlich die Erwerbsminderung sehr frühzeitig ein, würde sich aufgrund der unter Umständen erst sehr geringen vorhandenen rentenrechtlichen Zeiten eine sehr geringe Rente errechnen.
Mit der Zurechnungszeit – die in § 59 SGB VI gesetzlich geregelt ist – stellt der Gesetzgeber sicher, dass ab Eintritt der Erwerbsminderung bzw. ab dem Tod des Versicherten die bereits vorhandenen rentenrechtlichen Zeiten verlängert werden.
Wann die Zurechnungszeit endet, ist aber danach zu unterscheiden, ob die Rente vor oder ab dem 01.01.2004 begonnen hat.
Bei einem Rentenbeginn vor dem 01.01.2004 (also bis einschließlich 31.12.2003) wird die Zurechnungszeit in zwei Stufen ermittelt. Die Zeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres wird im vollen zeitlichen Umfang berücksichtigt. Die Zeit ab Vollendung des 55. Lebensjahres bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres wird nur teilweise berücksichtigt. Hier kommt die sogenannte Vierundfünfzigstelberechnung zum Tragen. Das heißt, dass die Zurechnungszeit mit X/54 berücksichtigt wird.
Meine Rente wurde so berechnet, als hätte ich nur bis zum 57. Lebensjahr gearbeitet. Dies ist eine eklatante Schlechterstellung zu den Leistungsbeziehern vor geltendem Recht bis 01.01.2004 und nach ab 1. Juli 2014 geltendem Recht, denen Beitragszahlungen bis zum vollendeten 62. Lebensjahr unterstellt werden. Diese erhalten Leistungen daher mit rund fünf Jahren längerer fiktiver Beitragszahlung. Es ist nicht ersichtlich aus welchen Gründen ich hier schlechter gestellt seien soll als andere Leistungsbezieher, womit der Gesetzgeber wiederholt gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen hat.
Da ich aufgrund eines Unfalls voll erwerbsgemindert wurde, soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers der Regress der Deutschen Rentenversicherung Bund gemäß § 119 SGB X greifen. Der Sozialversicherungsträger hat dieses Regressverfahren bereits erfolgreich für einige Jahre in der Vergangenheit betrieben und wird dies wohl auch in Zukunft bis zum Eintritt meiner Regelaltersrente im Jahr XX tun. Da der Sozialversicherungsträger somit keine Beitragsausfälle für mein Rentenkonto zu verzeichnen hat, wäre es sozial gerechtfertigt, dass zumindest die Altersrente abschlagsfrei ausgezahlt wird. Aber auch hier wird das Unfallopfer schlechter gestellt als die wegen Krankheit erwerbsgeminderten Rentner, für die kein Beitragsregress durchgeführt werden kann, denn gemäß § 77 SGB VI ergibt sich, dass für diejenigen Entgeltpunkte, die bereits Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer früheren Rente waren, der frühere Zugangsfaktor maßgebend bleibt.
Im Regressverfahren werden die Beiträge eingefordert, die durch den Eintritt des Schadenfalles verloren gegangen sind. Der Gesetzgeber hat dabei aber nicht beachtet, ob und ggfls. in welcher Höhe in Fall einer vorzeitigen Rentengewährung Abschläge anfallen. Die Beitragsanteile, die aufgrund der Abschläge nicht in die Rentenzahlung einfließen, verbleiben damit beim Rententräger. Somit bereichert sich der Sozialversicherungsträger noch am Schadensereignis des Unfallopfers, was als zutiefst unsozial empfunden wird und gegen jedes gängige Rechtsempfinden verstößt.
Mit der Neueinführung der Erwerbsminderungsrente ab dem 1. Januar 2001 ergibt sich wie vorstehend ausgeführt eine Vielzahl von Benachteiligungen, die nach Vorstellung des Gesetzgebers vom Unfallverursacher auszugleichen sind, denn der Geschädigte soll zumindest materiell so gestellt werden, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Mit der Veränderung des Leistungsrechts zum 1. Januar 2001 greift das gesetzliche Rentenversicherungsrecht erstmals in Rentenversicherungspunkte ein, die vor dem Schadensfall entstanden sind. Im Beitragsregress werden jedoch nur Beitragsausfälle nach dem Schadensfall ausgeglichen und auch das wie vorstehend erläutert nur unzureichend. Aus diesem Grund kann das Prinzip des Beitragsregresses im Fall der Erwerbsminderungsrenten ab dem 1. Januar 2001 nicht (mehr) zu einem vollen Ausgleich des Rentenschadens führen.
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll das Unfallopfer aber zumindest materiell so gestellt werden, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten. Dafür wurden die §§ 823 ff. BGB entwickelt. Die materiellen und immateriellen Schäden, die der Schädiger dem durch Unfall Verletzten zu ersetzen hat, fallen unter den Begriff des Personenschadens. Zum Begriff des Personenschadens hat der BGH mit Urteil vom 08.03.2012 – II ZR 191/11 ausgeführt:
"Eine Vermögensbeeinträchtigung ist dann ein Personenschaden, wenn sie durch die Verletzung oder Tötung eines Menschen verursacht wird; hierunter fällt nicht nur der immaterielle Schaden (Schmerzensgeld), sondern auch jeder mittelbare materielle Vermögensschaden als Folge der Körperverletzung (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 55/06, NJW-RR 2007, 1395 Rn. 8; Urteil vom 12. Juni 2007 - VI ZR 70/06, VersR 2007, 1131 Rn. 11; BAG, NJW 1989, 2838; 2003, 1890; 2004, 3360, 3361 f; OLG Saarbrücken r + s 1999, 374, 375; Geigel/Wellner, Der Haftpflichtpro-zess, 26. Aufl., § 31 Rn. 16; Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/ Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII, Bd. 3, 13. Aufl., Stand September 2010, § 104, Rn. 17 f; Waltermann in Eichenhofer/Wenner, Kommentar zum Sozialgesetzbuch VII, § 104 Rn. 17 f; Rapp in LPK-SGB VII, 2. Aufl., § 104 Rn. 24).“
Ebenfalls hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18.12.2007, Az. VI ZR 278/06 entschieden, dass der Sozialversicherungsträger Anspruch auf Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung hat, soweit dies erforderlich ist, um den Geschädigten hinsichtlich seiner Alterssicherung so zu stellen, wie er ohne Schädigung stünde.
Zweifelsfrei ist die Kürzung der vor dem schädigenden Ereignis erwirtschafteten Rentenentgeltpunkte eine mittelbare Vermögensschadenfolge, denn ohne das schädigende Ereignis wäre das Unfallopfer nicht erwerbsunfähig geworden und die erwirtschafteten Rentenentgeltpunkte wären bis zur regulären Altersrente unangetastet geblieben. Mangels hinreichender Ausgleichfunktion des Beitragsregresses nach § 119 SGB X, denn die Kürzung der Rentenentgeltpunkte vor Eintritt des schädigenden Ereignisses werden nicht regressiert, ist das Unfallopfer daher nun auf den Zivilrechtsweg angewiesen, sagt der Gesetzgeber doch, dass der Schädiger für alle materiellen Schäden aufzukommen hat.
Im vorliegenden Fall versucht daher das Unfallopfer den nach dem Beitragsregress gemäß § 119 SGB X verbliebenen Rentenschaden, da der Sozialversicherungsträger aus vorstehenden Gründen seiner Treuhänderfunktion nicht ausreichend nachkommt, hinsichtlich der Beiträge die bis zum schädigenden Ereignis eingezahlt wurden als auch für die Beiträge, die nun nach dem schädigenden Ereignis noch eingezogen werden, gegen den Unfallverursacher geltend zu machen.
Die Zahlung von Beiträgen im Beitragsregress hat nämlich weitreichende Auswirkungen auf die Berechnung der Entgeltpunkte. Soweit Beiträge nach dem Beitragsregress eingezogen werden und der Geschädigte bereits Rentenbezieher ist, wird aus den ursprünglichen Vollbeiträgen einer Pflichtversicherung ein so genannter beitragsgeminderter Wert. Dieser Wert wird bei der sog. Vergleichsberechnung nach § 73 SGB VI sowie letztlich bei der Gesamtleistungsbewertung nach § 74 SGB VI in Abzug gebracht. Hierdurch ergeben sich Verschlechterungen der Bewertung beitragsfreier Zeiten und damit einhergehend eine deutliche Verringerung der Rente als wenn die Beträge ohne das schädigende Ereignis und ohne Beitragsregress eingezahlt worden wären. Ein besonderes Augenmerk ist hierbei auf die Auswirkungen bei den Mindestentgeltpunkten für geringes Arbeitsentgelt für Zeiten bis zum 31. Dezember 1991zu legen. Die nach dem 31. Dezember 1991 im Wege des Beitragsgresses eingebrachten Beiträge berühren diesen Wert. Sobald diese Beiträge mit einem Rentenbezug zusammenfallen, scheiden sie bei der Wertermittlung aus, da nur vollwertige und nicht beitragsgeminderte Entgelte berücksichtigt werden.
Erwerbsminderung gehört zu den Wechselfällen des Lebens, die zu sichern Verantwortung des sozialen Rechtsstaats ist. Bei Erlass des Grundgesetzes gehörte dazu schon zwei Generationen lang ein vorrangiges System, das nicht nur das Minimum abdeckt und dass – anders als Fürsorge – das Individuum auch ohne Einsatz von Unterhaltspflichtigen erworbenem Vermögens schützt, Freiheit sichert und dem verfassungsrechtlich geschützten Eigentum funktional gleichsteht. Entscheidet sich der Gesetzgeber für verpflichtende Vorsorge in der Sozialversicherung, müssen Beitrag und Leistung im angemessenen Verhältnis stehen BVerfG, Beschluss vom 26.6.2007, 1 BvR 2204/00; BVerfG, Beschluss vom 16.3.2006, 1 BvR 1311/96). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass allein erziehende Mütter einen überobligatorischen Beitrag leisten und unter besonderem Schutz des Grundgesetzes stehen.
Im Zusammenhang mit der Reformierung der Erwerbsminderungsrenten in 2001 hatte der Gesetzgeber gerade auch Verpflichtungen zu beachten, die die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation bereits über 30 Jahre zuvor übernommen hatte und die weiterhin rechtsgültig sind, siehe BGBl. 1970 II S. 813 und BGBl 1971 II S. 175.
Bereits 1967 hatte Deutschland das ILO-Übereinkommen Nr. 128 über Leistungen bei Invalidität und Alter und an Hinterbliebene ratifiziert. In Bezug auf die Sicherung bei Invalidität besteht danach die völkerrechtliche Verpflichtung, wiederkehrende Zahlungen bei Invalidität vorzuhalten, die mindestens den Fall mit umfassen, dass ein andauernder „vorgeschriebene[r] Grad der Unfähigkeit zur Ausübung irgendeiner Erwerbstätigkeit“ zumindest für einen bestimmten Zeitraum vorliegt, Artikel 8 ILO Konvention 128. Dabei hat Deutschland sich auch zu einem festen Mindestsicherungsniveau verpflichtet, welches systematisch an den früheren Verdienst des Leistungsempfängers anknüpft, Art. 10, 26ff. ILO Konvention 128. Grundsätzlicher Referenzpunkt ist ein Sicherungsniveau von 50 % des früheren Verdienstes (vor der Invalidität), Tabelle zu Teil V der ILO Konvention 128.
Die geltende Gesetzgebung verstößt damit gegen bereits bestehende völkerrechtliche Verpflichtungen und benachteiligt die Antragstellerin in erheblichem Maße, da das Sicherungsniveau von 50 % des früheren Verdienstes vor der Invalidität deutlich unterschritten wird, was zwischen den Parteien unstreitig ist und die z.Zt. geleistete volle Erwerbsminderungsrente nicht einmal das Existenzminimum für die Antragstellerin und noch immer unterhaltsberechtigten Kinder abdeckt. Auch dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
Im Übrigen steht die Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich des Verstoßes gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 128 bereits unter Beobachtung des zuständigen ILO-Ausschusses, vgl. „Direct Request“ (CEACR) an Deutschland zur ILO Konvention 128 – angenommen 2006, veröffentlicht in den Unterlagen zur 96. Sitzung der Internationalen Arbeitskonferenz (ILC) 2007.
Ebenfalls sieht das ILO-Übereinkommen Nr. 128 vor, dass bei Leistung der Rentenbeiträge, die zur Inanspruchnahme der Invaliditätsleistung berechtigen, die Leistung auch ungekürzt zu gewähren ist, Artikel 11 Abs. 1 b) ILO Konvention 128.
Im Zusammenhang mit Regelungen zur Erwerbsminderung ist insbesondere das besondere Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderungen nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG zu beachten. Damit steht die o.g. Regelung über Abschläge bei Erwerbsminderungsrenten diametral zu dem Benachteiligungsverbot für Menschen mit Behinderungen, denn das Merkmal der Erwerbsminderung ist stets eine Folge von Behinderung.
Entsprechend Art. 28 der Behindertenkonvention der Vereinten Nationen, auf die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung Bezug nimmt, haben auch Behinderte das Recht auf angemessenen Lebensunterhalt. Daraus ergibt sich der Anspruch auf diskriminierungsfreien Zugang für Leistungen in der Versorgung. Diesen durch Zwangsbeiträge eigens erwirtschafteten Versicherungsanspruch dann aber wegen der Behinderung zu kürzen und den Behinderten praktisch zu enteignen läuft dem Anspruch eines Sozial- und Rechtsstaates zuwider und verstößt gegen Völkerrecht.
Auf internationaler Ebene wurde zur Anerkennung der Rechte von Menschen mit Behinderung am 13. Dezember 2006 von der UN-Vollversammlung das „Übereinkommen über die Rechte behinderter Menschen“ (UN-BRK) verabschiedet. Dieses Übereinkommen steht aufgrund der Ratifikation in Deutschland seit dem 26.3.2009 im Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Der Begriff der Behinderung ist in dieser Übereinkunft offen und weit definiert. Zu den Menschen mit Behinderungen zählen danach Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren bei der Teilhabe behindern. Nach dieser Definition sind auch Menschen, die längerfristig erkrankt und daher erwerbsgemindert sind, in den Anwendungsbereich der Konvention einzubeziehen.
Die Ratifikation der UN-BRK hat zwingend Auswirkungen für die Auslegung der Regelungen zur Erwerbsminderung im Sozialrecht, da hierbei eine sog. völkerrechtskonforme Auslegung anzustreben ist. Es ist also bei Zweifelsfragen darauf zu achten, dass diese Regelungen nicht in einen Widerspruch zur UN-BRK treten.
Gemäß Art. 28 ist der soziale Schutz und die Verwirklichung des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard nach Artikel 28 UN-BRK von Deutschland anzu-erkennen. Dabei ist unter anderem auch der gleichberechtigte Zugang zu Leistungen und Programmen der Altersversorgung für Menschen mit Behinderungen zu sichern. Diese Vorgabe bedeutet also, dass auch Menschen mit einer Erwerbsminderungsrente beim Bezug einer Altersrente nicht auf Grund ihrer Erwerbsminderung schlechter gestellt werden dürfen. Eine mittelbare Diskriminierung ist daher näher zu untersuchen, wenn Erwerbsminderungsrenten mit Abschlägen in ihrer Höhe auf Altersrenten umgestellt werden, wie dies nach dem deutschen Recht der Fall ist. Dies ist insbesondere auch dann problematisch, wenn effektiv keine Möglichkeiten zur erforderlichen privaten Alterssicherung bestehen. Da in Deutschland die Sicherung der Erwerbsminderung an das System der Alterssicherung systematisch angekoppelt ist, sind insbesondere die Regelungen, die eine Verschlechterung der Leistungen für Menschen mit Behinderungen bedeuten, auch am Maßstab des Art. 28 UN-BRK zu beurteilen.
Macht was daraus
Gruß tamtam
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