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Anterograde Amnesie

engel66

Neues Mitglied
Registriert seit
1 Mai 2014
Beiträge
3
Hallo Ihr alle... ;-)

Ich bin ganz neu hier.... ich hatte einen schlimmen Unfall am 01.01.2013. Von der Verletzung her gings ja noch, aber was damit zusammenhing, macht mich heute noch fertig. Ich stürzte in jener Neujahrsnacht durch einen Stolperer rückwärts, brach mir dabei links 4 Rippen, und der linke Lungenflügel kollabierte vollständig. Dies wurde aber erst 11 Std. später festgestellt, da zum Unfallzeitpunkt mir niemand glaubte, mich nach Hause brachte und mich meinem Schicksal überliess... ich verbrachte die Nacht irgendwie... stehend, gehend, sitzend.... nicht wissend, was ich tun soll. Dann wurde ich um 11 Uhr am nächsten Morgen endlich ins Krankenhaus gefahren. Es folgten Lungenentzündung, Intensivstation, Wasseransammlungen im Lungenraum... aber was mich am meisten beschäftigt ist, dass mir anscheinend eine gute Stunde nach dem Unfall fehlt! Einfach weg.... das habe ich durch Gespräche erfahren. Kommt das irgendwann wieder? Und: wie verarbeite ich bloss das Psychische? Weil einer von denen, die mir nicht geglaubt haben, war mein Lebenspartner.... ich werd heute noch nicht fertig damit! Ich weiss, viele von Euch haben sehr viel Schlimmeres erlebt.... dennoch: wenn mir irgendjemand etwas Hilfreiches sagen kann: DANKE....
 
Hallo engel66,

willkommen hier bei uns im Unfallopfer-Forum.

Kannst Du Dich denn noch an den Sturz erinnern? Bist Du dabei vielleicht auch mit dem Kopf aufgeschlagen?
Bestimmte Unfallmechanismen, beispielsweise schwere Stürze oder Schleuderbewegungen des Kopfes, sind geeignet, eine Amnesie auszulösen. Dabei muss man initial auch nicht bewusstlos gewesen sein.

Manchmal kommt die Erinnerung zurück, manchmal aber auch nicht. Da spielen viele Faktoren mit hinein und es lässt sich nicht vorher sagen, welcher Fall eintritt.
Mitunter kehrt sie zurück, wenn man den Unfallort noch einmal aufsucht, aber auch das kann einem niemand sagen. Auch Berichte von Augenzeugen können dabei helfen.
Allerdings sollte man sich damit nicht zu sehr unter Druck setzen oder ist das in Deinem Fall wichtig, dass Du Dich erinnerst?

Ich hatte vor mehr als vier Jahren einen Verkehrsunfall und mir fehlt nach dem Zusammenstoß auch einige Zeit....bis heute. Das Aufsuchen und wöchentliche Vorbeifahren an der Unfallstelle haben daran bisher nichts geändert.

Was Deine Psyche angeht weiß ich jetzt nicht, welche Beschwerden Du diesbezüglich hast. Grundsätzlich gehören Probleme dieser Art in die Hände eines qualifizierten Therapeuten. Du solltest das mit Deinem Hausarzt besprechen, der die Möglichkeit hat, Dich entsprechend zu überweisen.


Gute Besserung wünscht
sachsblau
 
hallo engel 66

hatte mit dem Auto einen Frontalcrash, war nicht bewußtlos, habe mich mit meinem Mann unterhalten, der ebenso verletzt war, aber die Zeit von ca. 2Min vor dem Crash bis etwa 6h später ist total weg. Ist auch in den 15 Jahren seither nicht wiedergekommen.

Mein Mann hat mir erzählt, was in der Zeit abgelaufen ist, eine Bekannte hat mich nach ca 15min, als zufällig vorbeikommende Ersthelferin versorgt, bis medizinische Hilfe da war. Auch sie hat mir erzählt, dass ich mit ihr mich unterhalten hätte, ich habe die Telefonnummer meiner Eltern immer wieder gesagt und gebeten sie anzurufen, damit sie sich um unsere beiden Kinder kümmern sollen, die in Schule bzw Kindergarten waren. Davon weiß ich selber aber alles nichts mehr.

Nach Erstversorgung am Unfallort kamen wir in die Klinik, dort wurde ich in der Notaufnahme neben meinem Mann behandelt, durch den Paravonvorhang hat er sich dauernd mit mir unterhalten, die ganze Zeit besprochen und mir erzählt, wir hätten einen Unfall gehabt mit dem Auto und dass ich, wie eine Gebetsmühle immer wieder gefragt hätte, ob ich was falsch gemacht hätte, wobei er mich zu Beruhigen versuchte, Es sei nicht zu verhindern gewesen, dass der schleudernde Porsche uns frontal gerammt hätte.

Für die Anschießende OP - Marknagelung des offenen Waden- und Schienbeinbruchs wurde keine Vollnarkose, sondern nur Rückenmarknarkose, wegen meinem "Schock"-Zustand.

Als ich aus dem Nach OP-Überwachungsraum 6h nach dem Crash ins Krankenzimmer gefahren wurde und im Gang vor dem Zimmer mein damals 5jähriger mich mit großen Augen ansah, ab da habe ich wieder Erinnerung.

Dazwischen ist alles weg, ich weiß noch die rote Ampel vor der ich stand, dass ein bekanntes Ehepaar zwei KfZ vor uns rechts abgebogen ist, wie jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit. Dann bin ich bei grün den drei Fahrzeugen geradeaus gefolgt, habe beschleunigt auf so bestimmt 30km/h - dort ist 70 erlaubt und dann Leere.

Die behandelnden Ärzte sagten damals, es kann sein, dass es leer bleibt, oder es kommen Fetzen zurück, oder mit der Zeit die ganze Erinnerung. Ich habe es auch mit Hypnose versucht, jedoch blieb alles leer, es blieb alles weg.

Aber die Neurologen und Neuropsychologen der Fachkliniken sagten auch: das ist nichts Bedrohliches, nichts Schlimmes, nichts Krankhaftes, nichts, was einen verrückt macht, sonder ein ganz normaler Hirnprozess. Dein "Geist" schützt dich vor dem was erlebt wurde. Der Körper schüttet in diesen Momenten eine Salve an Hormonen und Schmerzdämpfer aus, die einen auf natürliche Weise betäubt.

Das ist das Gute an unserem Körper - daher lass es zu, es ist mir passiert, es ist vielleicht auch ganz gut so, dass ich nicht mehr alles weiß. Du kannst und darfst da deinem Körper trauen, dass er es GUT mit dir meint, wenn er dich schützt.

Durch diese Hormonausschüttung kann die Wahrnehmung nicht mehr so gut im Kurzzeitgedächtnis gespeichert werden und weil da nichts da ist, an was man sich erinnert, kann es auch nicht, mit immer wieder drandenken, ins Langzeitgedächtnis überführt werden.

ES IST WEG, UND ES IST GUT SO!

Es lohnt sich kein Gramm Adrenalin dem Nachzuweinen, du musst es akzeptieren, musst es lernen.

Mir half damals der Spruch:
Gott gebe mir
die Kraft, Dinge zu ändern die ich ändern kann (ich selber niemand anderer)
die Geduld, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann
und die Weisheit, beides voneinander zu unterscheiden.

Prügele dich nicht selber mit dem Gedanken: das darf nicht sein. Es ist so, es ist vielleicht gut so. Die ganze Energie, die du zusammensuchst, um diese Leere unbedingt füllen zu wollen, ist sinnlos. Verwende sie lieber für Momente, die dir GUT tun.

Du hättest ersticken können, du hättest dir eine Querschnittverletzung einhandeln können, du hättest mit den gebrochenen Rippen eine Schlagader ritzen können und innerlich verbluten - Alles ist nicht passiert. Deine Zeit ist noch nicht abgelaufen mit dir hat sich jemand noch was vorgenommen.

Deshalb heißt die Aufgabe: nicht in der Vergangenheit irgendwelche Lücken füllen, sondern im hier und jetzt, im heute dir und den deinen Fehler zu verzeihen und dir selber zugestehen, da ist eine Lücke, das ist kein Makel, und hätten die anderen gewußt, wie problematisch dein Zustand gewesen ist, hätte sie bestimmt anders gehandelt.

Bist du wirklich der Meinung, die anderen wollten dich "verrecken lassen"?
Die andern haben nicht richtig reagiert, sie haben einen Fehler gemacht - das war nicht schön, das war nicht gut, aber wir sind alle nur Menschen - keine Maschinen und erst recht nicht unfehlbar. Wenn dir jemand vor übertriebene Hilfe dich angepackt hätte, die Rippen noch mehr verschoben hätte und dadurch die Verletzung noch heftiger geworden wäre, vor lauter dir Hilfe geben wollen, wäre es auch wieder FALSCH gewesen. Aber dass es noch hätte schlimmer kommen können, an das denken wir weniger. Es ist, wie es ist. Es ist passiert, und jetzt so wie es ist. Das ganze, die hätten, dann wäre... das sind alles Spekulationen, könnte sein, aber auch nicht. Niemand weiß, ob es genauso gelaufen wäre, wie du es dir heute als wünschenswert ausmalst.

Deshalb verzeihe den anderen und verzeihe dir selber, dann kann Ruhe einkehren und du hast mehr Kraft für deine Gesundung.

Lieben Gruß
Teddy
 
Hallo Teddy

vielen Dank für Deine Antwort - und mein Gott, Du hast auch Schlimmes durchlebt!
Es ist nicht so, dass ich dauernd daran denke - es überfällt mich in unregelmässigen Abständen. Dann werde ich unendlich traurig und fühle mich irgendwie zurückversetzt. Ich erinnere mich an den Sturz selber. Ich erinnere mich, wie ich spürte, dass da jetzt was gar nicht mehr in Ordnung ist. Ich hörte, wie eine Freundin zu meinem Lebenspartner sagte: "und holst jetzt NICHT den Krankenwagen!". Dann ein Loch. Nächstes Szenario, das ich weiss: wir gingen zu unserem Haus, ich lief langsam, hatte Schmerzen. Und ich hörte ihn immer wieder sagen: beeil Dich, komm endlich.... dann ging er ins Bett und schlief.... tja... ich WILL nicht mehr daran denken müssen. Mein Partner und ich haben über alles gesprochen, ich habe ihm verziehen, es ist gut. Ich will abschliessen Ich bin froh, dass alles so glimpflich ausgegangen ist. Was geblieben ist, ist das unglaubliche und grauenhafte Gefühl des Alleinseins, wenn alles wieder hochkommt.... ich werde es schon schaffen! Es hat sehr gut getan, mir alles von der Seele zu reden! Nochmal vielen, vielen Dank und Dir alles, alles Gute

Ganz liebe Grüsse, Marion
 
Liebe(r) Sachsblau...
an den Sturz selber kann ich mich gut erinnern. Ich weiss noch, wie ich einen Schritt rückwärts gemacht habe und dann fiel... wie ein Brett! Ich frage mich heute noch, wie das möglich war. Ja, ich schlug mit dem Hinterkopf auf, es wurde im Krankenhaus eine ganz schöne Beule festgestellt...
Nein, verrecken lassen wollte mich keiner, dass weiss ich! Doch sie waren alle sehr betrunken und fühlten sich in ihrer Neujahrsfeier gestört, erkannten nicht, was mit mir los war, und nahmen mich nicht ernst... eine einzige Frau hatte wohl Mitleid und fuhr meinen Freund und mich nach Hause....
Ich habe verziehen... aber irgendwie noch nicht abgeschlossen. Es sitzt zu tief. Nicht die Verletzungen, sondern was ich mitgekriegt und gehört hatte... Ich glaube fast, dass Du recht hast, und ich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen sollte. Aber es hat mir schon geholfen, das alles von der Seele zu schreiben.... Danke nochmal... ;-)

Liebe Grüsse, Marion
 
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