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Achtung: wer von Euch bezieht eine Betriebsrente? Sehr wichtig: Urteil Rentenanpassung!

Kasandra

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Betriebsrenten: Wie Senioren um die Erhöhung gebracht werden | Plusminus

Sie organisieren den Widerstand. Rund 250 Rentner treffen sich in Hamburg. Sie sind ehemalige Mitarbeiter der Versicherung Volksfürsorge, die vom Generalikonzern mit allen Rechten und Pflichten übernommen wurde. Sie fühlen sich um ihre vereinbarte Erhöhung der Betriebsrenten geprellt. Tausende sind davon betroffen. Sie informieren unter der Betroffenenseite www.keinesorge.org im Internet.


"Die Generali hält sich nicht an die Verträge, die seinerzeit mit der Volksfürsorge abgeschlossen wurden und deswegen gehen die Rentner auf die Barrikaden", sagt Margit Strunz, Generali-Betriebsrentnerin. Und Frowin Wagner, Generali-Betriebsrentner sagt: "Und dann setzt die Firma auch noch für meine Verhältnisse auf biologische Abgänge, je mehr Zeit verschleppt wird, desto mehr sterben." Sigrid Zorr, Generali-Betriebsrentnerin: "Diese Aufregung im Alter hätten wir eigentlich gar nicht gebraucht."

Was ist da los? In den Jahren 2015 und 16 hat die Generali die Betriebsrenten nicht wie erwartet erhöht. Für die meisten geht es um einige tausend Euro.

Die Betriebsrentner wehren sich
Über 900 Ehemalige klagen seither eine Nachzahlung ein, ein jahrelanger Kampf durch die Instanzen. Rechtsanwalt Christoph Welscher aus Hamburg, Anwalt für Arbeitsrecht, Hamburg, vertritt viele von ihnen und informiert über den aktuellen Stand: "Es sind zehn Fälle vor dem Bundesarbeitsgericht rechtskräftig entschieden worden, und die rechtskräftig entschiedenen Fälle, da bekommen jetzt die Rentner im Januar 2019 ihr Geld."

Jeder muss selber klagen

Rechtsanwalt Welscher
Alle anderen gehen erst mal leer aus. Wie das? Christoph Welscher, Anwalt für Arbeitsrecht, Hamburg: "Grundsätzlich muss ja in Deutschland in dem Bereich jeder selber sein Recht einklagen, die Generali kann selbstverständlich die Entscheidung als Grundsatzurteil anerkennen und das auch ohne eine gesetzliche Verpflichtung auf vergleichbare Fälle übertragen." Aber Generali sperrt sich derzeit dagegen. So muss jeder Rentner klagen.

Um wieviel geht es?

Einer der den Widerstand mitorganisiert, ist Rainer Hermann, 72. Ihn begleiten wir nach Hause. 27 Jahre lang war er bei der Volksfürsorge beschäftigt und nun das. Durch die zu geringe Anpassung der betrieblichen Versorgungsleistung vermisst er im Monat nun rund 163 Euro seiner Rente. Unterm Strich sind es inzwischen gut 5300 Euro, die er einfordert. "Ich habe in zweiter Instanz gewonnen vor dem Landesarbeitsgericht, allerdings bedeutet das noch nicht, dass jetzt Geld fließen wird. Sondern die Generali ist ja in Revision gegangen", sagt der Generali Betriebsrentner Rainer Hermann.

Warum kommt es dazu?
In den Bestimmungen des betriebseigenen Versorgungswerkes ist die Anpassung der Betriebsrente ganz klar geregelt, nämlich entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Rentenversicherung. Generali Betriebsrentner Rainer Hermann: "Im Jahr 2015 war die Erhöhung der gesetzlichen Rentenversicherung rund 2,1 Prozent, das wäre auch die Erhöhung, die die Generali auf die Betriebsrente zahlen müsste, stattdessen haben die 0,5 Prozent bezahlt. Noch größer war der Unterschied im Jahr 2016, da war die Erhöhung der gesetzlichen Rentenverssicherung 4,25 Prozent und die Generali hat ebenfalls nur 0,5 Prozent drauf gepackt."

Warum? Die Generali hat sich auf einen Passus in den Bestimmungen berufen, da kann der Vorstand anders entscheiden. Eigentlich gedacht für den Fall, dass es dem Unternehmen wirtschaftlich schlecht geht.

Generali macht Gewinne
Dem Generalikonzern ging es 2015 allerding blendend. Es wurde über einen Rekordgewinn von zwei Milliarden Euro berichtet, für die Aktionäre gab es mit 5,89 Prozent die höchste Dividendenrendite der vergangenen zehn Jahre.

Plusminus liegen interne Papiere einer Aufsichtsratsitzung der Generali Deutschland vor aus dem Jahre 2015. Daraus lesen wir heraus: alles geschah aus Berechnung. "Als Ergebnis einer Gesamtabwägung wird vorgeschlagen, die vertragliche Rentenanpassung teilweise auszusetzen." heißt es da. Ein errechneter einmaliger Einspareffekt von 17,9 Millionen Euro wurde dem rechtlichen Risiko gegenübergestellt, vor den Arbeitsgerichten zu verlieren. Als Worst-Case-Szenario, also im schlimmsten Fall, müsste die Anpassung in unverminderter Höhe nachgeleistet werden, also das, was den Rentnern eh zustünde, plus Prozesskosten.


Das Betriebsrentenrecht
Christoph Welscher, Anwalt für Arbeitsrecht, Hamburg: "Auf der Unternehmensseite ist das einfach eine wirtschaftliche Kalkulation, wenn die Zahl der Betriebsrentner, die nicht klagen und ihre Ansprüche nicht geltend machen, größer ist als die Kosten, die entstehen durch die Gerichtsverfahren, die durchgeführt werden, bleibt natürlich unterm Strich ein positiver Effekt für das Unternehmen."

Von Generali wollen wir wissen, werden hier Ausnahmeregelungen in Anspruch genommen, um den Gewinn zu maximieren und damit Aktionärsinteressen vor vertragliche Ansprüche von Rentnern zu stellen? Die Antwort: "Eine noch gute Gewinnsituation im Jahr 2015 widerspricht gerade nicht dem Erfordernis der Einleitung des Transformationsprozesses. … Aus unserer Sicht liegt kein Vertragsbruch vor."

Trotzdem haben sie erste Prozesse verloren. Aber Unternehmen, die Betriebsrenten rechtswidrig nicht anpassen, haben nichts zu befürchten, Strafen gibt es keine, nur verlorene Prozesse.

Kein Einzelfall
Und so ist Generali kein Einzelfall. Viele Konzerne wie zum Beispiel Thyssen-Krupp haben in den vergangenen Jahren die Betriebsrenten nicht wie vereinbart erhöht und ließen sich durch alle Instanzen verklagen. Auch Vattenfall und IBM wurden vom Bundesarbeitsgericht verurteilt und mussten nachzahlen. Die Liste der Streitfälle zusammengestellt vom Bundesverband Betriebsrentner liest sich wie das "who is who" der deutschen Industrie.

Die Ursache für viele dieser Streitfälle liegt im Betriebsrentengesetz, erklärt Arbeitsrechtler Professor Richard Giesen. Zwar regelt §16 die Erhöhung der Bezüge, räumt aber dem Vorstand eines Unternehmens auch ein, über die Anpassung nach Ermessen selbst zu entscheiden, sollte die wirtschaftliche Lage schlecht sein.

Professor Richard Giesen
Prof. Richard Giesen, Ludwig-Maximilians-Universität, München: "Da gibt es eine Versuchung, sich nicht an die Vorschriften zu halten und genauso wie manche Fluggesellschaften die Entschädigung nicht sofort auszahlen, dann nicht den vollen Anpassungsbetrag weiterzugeben. Es wird systematisch zu wenig erhöht, und Rentner müssen dann klagen und das machen nicht alle."

Würden gesetzliche Änderungen helfen?
Wir fragen beim Bundesarbeitsministerium an, was man gegen den Missbrauch unternehmen will. Die Antwort: "Das System der betrieblichen Altersversorgung ist historisch gewachsen, sehr ausdifferenziert und berücksichtigt dementsprechend auch bei den Anpassungsregelungen die jeweiligen Besonderheiten der Praxis."

Berlin will also untätig bleiben, dabei gäbe es zumindest eine kleine Hilfe. Prof. Richard Giesen, Ludwig-Maximilians-Universität, München: "Man könnte daran denken, Massenverfahren zuzulassen, in denen Wenige ein Verfahren beginnen und dann für viele das Ergebnis verfochten wird."

Verjährung droht
Solange muss aber jeder selber sein Recht erkämpfen, wenn Unternehmen wie Generali die Betriebsrentenerhöhung nicht vornehmen. Rainer Hermann jedenfalls wartet noch auf sein Geld, das ihm zusteht. Wer als Generali-Betroffener noch nicht geklagt hat, läuft Gefahr ganz leer auszugehen. Denn Ende des Jahres droht Verjährung, und dann würde die Strategie des Konzerns aufgehen.

Kontakt und Informationen für betroffene Generali-Betriebsrentner
Info-Box: www.keinesorge.org
Klaus-Peter Kussmann
Seegrabenweg 61
25469 Halstenbek
E-Mail: info@keinesorge.org
Bericht: Reinhard Weber

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