Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,
als ich mich dazu entschloss auf dem Internetportal "Direkt zur Kanzlerin", Kontakt mit Ihnen aufzunehmen
http://altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=7227 , war ich wirklich der Überzeugung, wir wären für Sie auch von Bedeutung. Wie sich jetzt in der Kürze der Zeit herausstellte, war das leider nur ein weiterer Wunschgedanke. Denn anders kam man sich nicht erklären, als Top-Beitrag von der Leserschaft ausgewählt und bewertet zu werden, weil man in Kürze der Zeit so viele Leser und Befürworter findet, und dennoch (oder gerade deshalb) das Anliegen vorzeitig beendet wurde, - es geschah sicher nicht ohne Hintergedanken! Man wollte dieses Thema offenkundig wieder aus dem Blick rücken.
Und wenn man uns schon die Ehre zukommen lässt, als Top-Beitrag ausgewählt worden zu sein, wäre dann das Mindeste den vielen Betroffenen auch eine "Top-Antwort "zukommen zu lassen. Stattdessen kommt da nur ein lapidarer Hinweis, auf die angeblichen Verbesserungen im neuen Rentenpaket ab 1.07.2104, in dem wir (die hier betroffene Gruppe) gar nicht vorkommen, da diese Verbesserungen nur die Neuzugänge ab dem 1.07.2014 betreffen und nicht für die Bestandserwerbsminderungsrentner ab 2001 gelten.
Dies ist mehr als peinlich wenn man nicht einmal Herr der eigenen Gesetze ist. Und genauso erbärmlich finde ich den Verweis auf das Sozialamt, wie auch die Aussage bezüglich der Abschläge von 10,8%, das diese rechtens seien und nur von geringer Bedeutung. Dies mag vielleicht für Sie bedeutungslos sein, für uns aber sind sie überlebensnotwendig. Und wir dürfen doch schon etwas mehr erwarten, als nur zu Bittstellern des Staates degradiert zu werden.
Es wäre doch langsam an der Zeit, bei der ständig ansteigenden Armut, sich endlich für die Sorgen, Nöte und Ängste der Bürger zu interessieren. Auch der neue Armutsbericht der Sozialverbände schlägt diesbezüglich Alarm und sollte die Regierung endlich zum Nachdenken bewegen.
http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-02/armut-deutschland-2016-paritaetische-verband
Tatschache ist, dass die Rentenabschläge ungerecht sind, dass die Politik bis jetzt sämtliche Vorschläge der Sozialexperten zur Abschaffung der Abschläge ignoriert hat. Fakt ist, dass die Renten in Deutschland, egal ob Rente, Lebensversicherung, Direktversicherung ... alles wurde durch die Politik demontiert. Richtig ist auch, dass in den letzten Jahrzehnten über 700 Milliarden für Staatsaufgaben aus der Rentenkasse einfach zweckentfremdet wurden. Somit lässt sich sagen, dass mit der Einführung der Erwerbsminderungsrente (früher Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeitsrente) ein Abbau von Rechten für die Erwerbsgeminderten stattgefunden hat, was vehement von der Politik ignoriert wird.
Offensichtlich ist, dass die Abschaffung der Berufsunfähigkeitsrente ein Verfassungsbruch war und somit das Sozialprinzip des Artikels 20 des Grundgesetzes verletzte. Außerdem wurde die daraus resultierende Gewährleistungsverantwortung durch den Rechtsstaat verletzt.
Bitter ist, mit welcher Ignoranz und Missachtung uns die Politik begegnet. Noch unverständlicher ist, dass ausgerechnet ihre Partei mit dem "C" im Namen, lauthals für die Werte unserer Gesellschaft Eintritt, aber für uns sollen diese christlichen Werte offensichtlich nicht gelten, dies ist mehr, als nur Heuchelei.
Hier das Interview mit Prof. Hans-Peter Schwintowski bei REPORT MAINZ vom 24.11.15
https://www.youtube.com/watch?v=R65BZsusV8Q&feature=youtu.be Hier der Beitrag zur Berufsunfähigkeitsrente in der Sendung von Report Mainz:
https://www.youtube.com/watch?v=YcFk7gpMWus&feature=youtu.be Hier das Interview mit Schwintowski auf den NachDenkSeiten vom 2.12.15
http://www.nachdenkseiten.de/?p=29270#more-29270 Hier auf der Webseite Seniorenaufstand der Beitrag: „Einführung der Erwerbsminderungsrenten war Enteignung“
http://www.seniorenaufstand.de/wp-content/uploads/2016/01/erwerbsminderungsrenten.pdf
Unbestreitbar ist folgendes: Mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23.06.2014 wurden Änderungen eingeführt. Nach Artikel 1Ziff.4 des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes wird in § 59 Abs. 1 und Abs. 2 Satz (SGBIV) wird jeweils die Angabe "60" durch die Angabe "62" ersetzt.
Nach Artikel 4 Abs. 1 des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes trat dieses Gesetz am 1.Juli 2014 in Kraft. Im Ergebnis ist damit eine Erhöhung der Renten aufgrund einer Besserstellung der neu zu berechnenden Renten wegen Erwerbsminderung gegenüber der früheren Berechnung verbunden. Zum einem war bislang bei einem Eintritt der Erwerbsminderung in jungen Jahren der Versicherte mit der Zurechnungszeit so gestellt, als ob er noch bis zum 60.Lebensjahr weitergearbeitet hätte. Durch die Zurechnungszeit werden zusätzlich Zeiten berücksichtigt, für keine Beiträge gezahlt wurden. Die Zurechnungszeit wird mit dem Durchschnitt der bis zum Eintritt der Erwerbsminderung zurückgelegten Versicherungszeiten bewertet und steigert so die Rente. Mit den gesetzlichen Änderungen wird die Zurechnungszeit um zwei Jahre verlängert. Sie endet dann mit dem 62.Lebensjahr.
Mithin werden Erwerbsgeminderte so gestellt, als ob sie mit ihrem bisherigen Einkommen bis zum 62.Lebensjahr statt wie bisher zum 60.Lebensjahr weitergearbeitet hätten. Zum anderen fallen die letzten vier Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung künftig aus der Bewertung heraus, wenn das für den Versicherten günstiger ist. Einkommenseinbußen in den letzten 4 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung, zB. durch Wegfall von Überstunden, den Wechsel in die Teilzeit oder durch Krankheitszeiten, wirken sich zukünftig nicht mehr negativ auf die Rentenhöhe aus.
Bei Anwendung des RV -Leistungsverbesserungsgesetzes auch bei uns, würde sich auch unsere Erwerbsminderungsrente aufgrund der um 2 Jahre verlängerten Zurechnungszeit und durch den Wegfall der letzten 4 Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung bzw. stattdessen der Berücksichtigung der Zeiten aus der Vergleichsbewertung erhöhen. Vermutlich wären damit eine monatliche Rentensteigerung von ca. 40,00€ verbunden.
Und wir blieben bei der Ausführung, dass die Rentenanpassung 2015 ungerechtfertigt um ca.1% viel zu gering berechnet wurden. In der Statistik werden nicht nur 30.000 Menschen mit Behinderung die zum Beispiel in Werkstätten mit einem Durchschnittslohn von ca. 200 € pro Monat arbeiten aufgenommen, sondern auch mehr als 30.000 weitere Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder Berufsbildungswerken beschäftigt sind.
Ebenso knapp 80.000 meist junge Leute, die ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr oder einen Bundesfreiwilligendienst leisten. Dabei handelt es sich um Beschäftigte im Niedriglohnbereich. Das schlägt sich in den Rentenanpassungen 2015 und 2016 nieder.
Der Begriff sozialversichert Beschäftigte gilt nur für Arbeitnehmerinnen/er, die gegen Lohn und Gehalt am regulären Arbeitsmarkt tätig sind. Dies trifft auf viele Menschen in den neu erfassten Personengruppen aber nicht zu. Es dürfen auch keine nicht erwerbsfähigen Personen mitgerechnet werden.
Es werden auch in der Rentenanpassung 2016 keine nachträglichen Korrekturen eintreten, da durch die Migrationsbewegung die Anzahl der Niedriglöhner deutlich steigen wird. Und ich möchte ergänzen, dass durch den Riesterfaktor die Rentenanpassung 2015 um ca.1% ebenfalls zu gering berechnend wurde. Dieser Riesterfaktor ist nicht gesetzeskonform und stellt einen ungerechtfertigten Eingriff in die Eigentumsverhältnisse der gesetzlich Versicherten Menschen dar.
Prof. Dr. Eckart Bomsdorf:
Die sofortige Erhöhung der Zurechnungszeiten um zwei Jahre ist für die Betroffenen hilfreich, beinhaltet jedoch auch den Nachteil, dass unmittelbar vor dem 1.7.2014, dem Tag des Inkrafttreten des Gesetzes, festgesetzte und bezogene Erwerbsminderungsrenten deutlich niedriger als nach dem ab diesem Zeitpunkt festgesetzte vergleichbare Erwerbsminderungsrenten ausfallen, was für die Betroffenen spürbar und schwer nachvollziehbar sein wird.
Klaus Stiefermann:
Die letzten Rentenreformen haben das Leistungsniveau der Erwerbsminderungsrente deutlich gesenkt.
Prof. Dr. jur. Felix Welti:
Die Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung seit 1997 haben dazu beigetragen, die politische Legitimation und rechtliche Legitimität der gesetzlichen Rentenversicherung zu gefährden. Die Senkung des Rentenniveaus bei allen Risiken hat dazu geführt, dass immer häufiger das Niveau der Grundsicherung nicht überschritten wird. Beim Risiko Erwerbsminderung ist das schon fast die Regel. Der Verzicht auf Mindestsicherungselemente innerhalb der Renten-Versicherung und die Anhebung des Renteneintrittsalters sind zusätzlich als ein Verzicht auf sozialen Ausgleich wahrgenommen worden, letztere, weil sich bestimmte Personengruppen zur Hinnahme von Abschlägen genötigt sahen. Mindestens die subjektiv wahrgenommene Verlässlichkeit des Rentensystems ist durch die hohe Frequenz von Änderungen und deren politische Begründung herabgesetzt worden. Die Erwerbsminderungsrente wird aus individuell überprüften zwingenden gesundheitlichen Gründen regelhaft befristet in Anspruch genommen. Sie ist keine freiwillige Frührente zu behandeln. Zwar haben Bundessozialgericht und Bundesverfassungsgericht die Abschläge mittlerweile gebilligt. Doch hat das Bundesverfassungsgericht dies alleine mit dem Spielraum des Gesetzgebers für Sparmaßnahmen begründet. Systematisch und sozialpolitisch bleiben die Abschläge verfehlt.
Der verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Auftrag, behinderte Menschen nicht zu benachteiligen, ist mit Blick auf die unzureichende Sicherung gegen Armut bei Erwerbsminderung und im Alter kaum erfüllt.
Gerade mit Blick auf die soziale Sicherung Erwerbsgeminderter kann es sein, dass es mit kleineren Reformen nicht getan ist und das System einen Neustart braucht.
Teil 1