Hallo,
ich möchte gerne mal die Frage erörtern, was in einem SG-Verfahren so ablaufen kann, wenn das Gericht meint, seiner Amtsermittlung genüge getan zu haben und der Kläger einen Arzt benennt, um ein Gutachten nach §109 SGG in das Verfahren zu bekommen.
Da wird durch den Kläger ein Vorschuß gezahlt, ein Gutachter benannt und auch die zu Fragen , über die Beweis erhoben werden soll benannt.
Anschließend teilt das Gericht mit, dass die Beweisfragen durch den Vorsitzenden im Rahmen der Amtsermittlung gestellt werden und die Fragestellungen könnten so in der vorgeschlagenen Form nicht akzeptiert werden.
Was dann
§ 109 beinhaltet eine Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens. Die Vorschrift verpflichtet das Gericht dazu, auf Antrag einen bestimmten Arzt gutachtlich zu hören, und stellt damit eine gewichtige und im Übrigen sehr praxisrelevante Ausnahme zum Untersuchungsgrundsatz des § 103 dar.
Ein bestimmter Kreis von Verfahrensbeteiligten erhält durch § 109 die Möglichkeit, die gerichtlichen Ermittlungen zu steuern. Mit einem Antrag nach § 109 verbunden mit der Benennung eines bestimmten Arztes wird die Vorschrift des § 404 Abs.1 Satz 1 ZPO verdrängt, wonach die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl durch das Prozessgericht erfolgt.
Neben dem Personenkreis der Behinderten sind die Versicherten, die Versorgungsberechtigten und die Hinterbliebenen antragsberechtigt, nicht jedoch die Sozialleistungsträger. Die Sozialleistungsträger haben allein die Möglichkeit, von sich aus im Verlaufe des Rechtsstreits ein - weiteres - Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben. Umgekehrt hat allerdings auch der antragsberechtigte Personenkreis des § 109 neben dem aus dieser Vorschrift erwachsenden Recht die Möglichkeit, ein sog. Privatgutachten einzuholen und dem Gericht zur Verwertung als Urkunde vorzulegen.
In der gerichtlichen Praxis ist gelegentlich die Unterscheidung schwierig, ob ein Antrag nach § 109 gestellt ist oder ein Antrag gestellt bzw. eine Anregung formuliert wird, der/die auf die Durchführung von Ermittlungen von Amts wegen abzielt. Die bloße Anregung oder ein bloßer Vorschlag, einen bestimmten Arzt zu hören, stellt regelmäßig noch keinen Antrag nach § 109 dar (vgl. LSG Hessen, Urteil v. 6.10.1998, L 4 SB 1196/96). Hat der zuständige Richter Zweifel, so wird er nach § 106 Abs.1 vorgehen und sich den unklaren Antrag erläutern lassen. Klarheit ergibt sich oft spätestens dann, wenn der zuständige Richter in der Annahme, einen Antrag nach § 109 vor sich zu haben, nach § 109 Abs. 1 Satz 2 verfährt und einen Kostenvorschuss anfordert.
Zulässig ist es, den Antrag nach § 109 nur hilfsweise für den Fall zu stellen, dass das Gericht keine Ermittlungen nach § 103 (mehr) vornimmt bzw. der Klage nicht aus anderen Überlegungen heraus stattgibt.
Zulässig ist es auch, den Antrag darauf zu beschränken, dass ein Gutachten nach Aktenlage eingeholt werde (a.A. Meyer-Ladewig, § 109 Rn. 19). Ebenso wenig begegnet es Bedenken, wenn der Antragsteller - gleich dem im Rahmen eines nach § 103 erteilten Gutachtenauftrags untersuchten Probanden - einzelne Untersuchungen ablehnt (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 25.1.2001, L 2 B 48/00). In den beiden letztgenannten Fällen handelt es sich um nichts anderes als - zulässigerweise - selbst auferlegte Antragsbeschränkungen. Der Antragsteller hat allerdings in diesen Fällen jeweils - auch insofern gleich der Sachlage bei einem von Amts wegen eingeholten Gutachten - die beweisrechtlichen Nachteile seines Verhaltens zu tragen
Unproblematisch ist es auch, wenn ein bereits früher einmal gestellter, dann aber zurückgenommener Antrag erneut gestellt wird.
Das Antragsrecht nach § 109 Abs. 1 Satz 1 gilt für jede Instanz gesondert. § 153 Abs. 1 verweist für das Berufungsverfahren auf § 109, § 165 Satz 1 für das Revisionsverfahren auf § 153, wobei wegen § 163 § 109 im Revisionsverfahren nicht bedeutsam ist.
Ein in der ersten Instanz gestellter Antrag, dem das Gericht - etwa wegen § 109 Abs. 2 - nicht stattgegeben hat, wirkt nicht in die zweite Instanz fort. Dies folgt bereits aus der Eigenständigkeit der Verfahren. Daher ist auch der Auffassung nicht zu folgen, das Antragsrecht sei verbraucht, wenn bereits in erster Instanz ein Gutachten auf demselben Fachgebiet auf Antrag und im Kostenrisiko des Versicherten eingeholt worden sei, so dass das Gericht dem wiederholenden Antrag nur stattzugeben brauche, wenn besondere Gründe dies rechtfertigten (so BSG, Urteil v. 6.5.1958, 10 RV 813/56, SozR § 109 Nr. 18; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.10.1998, L 2 U 688/98, HVBG-INFO 1999, 3095 ff.; LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 20.7.2000, L 5 U 42/99, HVBG-INFO 2000, 2732 ff.).
Das Fortwirken eines Antrags nach § 109 - innerhalb derselben Instanz - kann vom Gericht nicht unterstellt werden, wenn zwischenzeitlich Ermittlungen von Amts wegen geführt worden sind. Das Gericht wird vielmehr Nachfrage halten, ob der Antrag bekräftigt wird. Diese Nachfrage kann konkludent erfolgen, indem für das von dem benannten Arzt einzuholende Gutachten ein Kostenvorschuss angefordert wird. Wird der Kostenvorschuss eingezahlt, so ist jedenfalls damit der Antrag gestellt.
Der Antrag muss auf die gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes gerichtet sein. § 109 beinhaltet also nicht die Möglichkeit, die Anhörung eines Arztes als Zeugen über etwa in der Vergangenheit erhobene Befunde durchzusetzen.
Der zu hörende bestimmte Arzt muss nicht mit vollem Namen und voller Anschrift bezeichnet werden. Es genügt, dass er eindeutig identifizierbar ist. Treffen die Angaben in dem Antrag auf mehrere Ärzte zu, so ist der Antrag nicht wirksam gestellt. Die Formulierung, es werde Antrag nach § 109 gestellt, der zu hörende Arzt werde noch benannt, ist ebenso wenig ausreichend. Der Antrag ist vielmehr erst mit der Benennung des Arztes gestellt, was im Hinblick auf § 109 Abs. 2 bedeutsam sein kann.
Andere Personen als Ärzte, z.B. Heilpraktiker, Psychologen oder Pflegefachkräfte, unterfallen nicht dem Tatbestand des § 109. Hieran ändert sich auch nichts, wenn das Gericht zuvor von Amts wegen eine andere Person als einen Arzt mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt hatte. Der Wortlaut des § 109 ist eindeutig und keiner anderweitigen Auslegung zugänglich. Auch das in diesem Zusammenhang von Klägern bzw. deren Vertretern gelegentlich angeführte Gebot einer ”Waffengleichheit” zwischen Gericht und Kläger existiert nicht. Das Gericht ist die Institution, die den Rechtsstreit einer Entscheidung zuführt. Es ist nicht Kontrahent eines Verfahrensbeteiligten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art.3 GG gebietet es nicht, einem Verfahrensbeteiligten mittelbar genau die gleichen Ermittlungsmöglichkeiten einzuräumen wie einem Gericht. Das Gericht ist zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen und hat zur Entscheidungsfindung von Amts wegen diejenigen Ermittlungen durchzuführen, die es für erforderlich hält, ohne dass hieraus eine Folgewirkung auf § 109 erwächst.
Das Wort ”ein” in § 109 Abs. 1 ist nicht i.S. eines Zahlwortes, sondern als unbestimmter Artikel zu verstehen (vgl. BSG, Urteil v. 22.6.1977, 10 RV 67/76, SozR 1500 § 109 Nr. 1; LSG Saarland, Urteil v. 22.7.1999, L 5b SB 22/98). Dies bedeutet, dass der Antragsteller grundsätzlich mehrere Ärzte, die etwa in unterschiedlichen Fachgebieten tätig sind, angeben kann. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob im Verlaufe eines Instanzverfahrens mehrmals ein Antrag nach § 109 gestellt werden kann. Das Gesetz sieht zwar insoweit ausdrücklich keine Einschränkung vor, es dürfte jedoch in einem derartigen Fall zu prüfen sein, ob der weitere Antrag nach § 109 Abs. 2 abzulehnen ist. Der Antragsteller wird genau erläutern müssen, welche Gründe maßgebend dafür waren, dass er den weiteren Antrag nicht früher gestellt hat (ähnlich im Ergebnis LSG Saarland, Urteil v. 22.7.1999, L 5b 22/98).
Ist der Antrag wirksam gestellt, so muss das Gericht den betreffenden Arzt gutachtlich hören. Sinn und Zweck des § 109 ist es allerdings allein, einem Beteiligten die Möglichkeit der Einführung eines bestimmten von ihm gewählten Beweises in den Prozess einzuräumen. § 109 gibt demgegenüber nicht das Recht, Beweis über ein schlechterdings nicht entscheidungserhebliches Beweisthema erheben zu lassen. So kommt es z.B. wegen § 135 i.V.m. § 92 SGB V nicht auf die individuelle gesundheitliche Disposition des Antragstellers, der ein alternatives Heilverfahren zu Lasten der Krankenkasse begehrt, an und es muss darüber weder nach § 103 noch nach § 109 Beweis erhoben werden.
Von der Beweisaufnahme auf Grundlage des § 109 darf ferner dann abgesehen werden, wenn das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsache bereits erwiesen, die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig, das in Aussicht genommene Beweismittel völlig ungeeignet oder es trotz aller darauf gerichteten Anstrengungen unerreichbar ist.
Keine Aussage trifft § 109 darüber, in welcher Weise das Gericht die Ermittlung nach Maßgabe dieser Vorschrift durchzuführen hat. § 109 gibt insbesondere dem Antragsteller nicht die Möglichkeit, das Gericht zu zwingen, an den Gutachter eine ganz bestimmte Beweisfrage zu richten. Indes darf das Gericht die Ermittlung nicht durch die Stellung nichtssagender Beweisfragen ad absurdum führen. Im Regelfall wird es dem Gutachter genau dieselben Beweisfragen stellen, die es einem von Amts wegen beauftragten Gutachter stellen würde oder bereits gestellt hat, im letzteren Falle ergänzt um die Beweisfrage, an welcher Stelle der Sachverständige ggf. konkret von dem Vorgutachten abweicht und mit welcher genauen Begründung er dies tut.
Der Antragsteller hat keinen Einfluss auf die Entscheidung, ob ein schriftliches Gutachten i.S. des § 118 SGG i.V.m. § 411 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingeholt wird oder das Gutachten mündlich erstattet werden soll. Die Entscheidung hierüber obliegt allein dem Gericht. Liegt das Gutachten vor, hat der Antragsteller allerdings das Recht, die Erläuterungsbedürftigkeit des Gutachtens gem. § 411 Abs. 3 ZPO geltend zu machen. Auch insofern trifft das Gesetz keine Unterscheidung zwischen einem Gutachten nach § 103 und einem solchen nach § 109 (BSG, Urteil v. 30.4.1985, 2 RU 81/84, HVBG-INFO 1985, 14 ff.). Das Gericht hat gem. § 411 Abs. 3 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob es das Erscheinen des Sachverständigen anordnet, damit dieser das schriftliche Gutachten erläutere.
Insgesamt hat das Gericht die Verpflichtung, die Existenz des § 109 zu respektieren und die Ermittlung so durchzuführen, als handele es sich um eine von Amts wegen durchzuführende Beweisaufnahme. Ebenso wie bei einem Gutachten von Amts wegen hat das Gericht nach § 118 i.V.m. § 404a Abs.1 ZPO die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann das Gericht dem Sachverständigen für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen.
Über den Zeitpunkt der gutachtlichen Anhörung trifft das Gesetz ebenfalls keine Aussage. In der Praxis wird ein Gutachten nach § 109 im Regelfall erst dann eingeholt, wenn sämtliche auf der Grundlage von § 103 durchgeführten gerichtlichen Ermittlungen abgeschlossen sind. Zwingend ist dies jedoch nicht. Dem Gesetz ist eine derartige zeitliche Rangfolge nicht zu entnehmen. Insbesondere hat der Gesetzgeber an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht, dass § 109 ein ”Reaktionsmittel” des Antragstellers darstellen solle (a.A. LSG Bayern, Beschl. v. 6.12.2002, L 3 B 211/02 U, Breithaupt 2003, 152 f.).
Der von dem Antragsteller ausgewählte Arzt hat die Pflicht, das Gutachten zu erstellen, auch wenn er in der Fertigung forensischer Gutachten ungeübt ist. Es ist jedoch angebracht, dem Antragsteller einen entsprechenden Vorhalt des beauftragten Arztes zuzuleiten und anzufragen, ob unter diesen Umständen an dem Antrag festgehalten wird bzw. ob zumindest ein anderer Arzt benannt werden soll. Entsprechendes gilt, wenn etwa Arbeitsüberlastung geltend gemacht wird. Dem Antragsteller ist Gehör zu der Frage zu geben, ob ein möglicherweise mit Zwangsmitteln angereichertes zähes Verfahren bis zur Gutachtenerstattung beschritten werden soll oder ob nicht sinnvollerweise ein anderer Arzt zu beauftragen ist.
Vielleicht hilft dieser Kommentar zum § 109 ja etwas zu klären, was er bewirken kann.
Gruß von der Seenixe
ich möchte gerne mal die Frage erörtern, was in einem SG-Verfahren so ablaufen kann, wenn das Gericht meint, seiner Amtsermittlung genüge getan zu haben und der Kläger einen Arzt benennt, um ein Gutachten nach §109 SGG in das Verfahren zu bekommen.
Da wird durch den Kläger ein Vorschuß gezahlt, ein Gutachter benannt und auch die zu Fragen , über die Beweis erhoben werden soll benannt.
Anschließend teilt das Gericht mit, dass die Beweisfragen durch den Vorsitzenden im Rahmen der Amtsermittlung gestellt werden und die Fragestellungen könnten so in der vorgeschlagenen Form nicht akzeptiert werden.
Was dann
§ 109 beinhaltet eine Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens. Die Vorschrift verpflichtet das Gericht dazu, auf Antrag einen bestimmten Arzt gutachtlich zu hören, und stellt damit eine gewichtige und im Übrigen sehr praxisrelevante Ausnahme zum Untersuchungsgrundsatz des § 103 dar.
Ein bestimmter Kreis von Verfahrensbeteiligten erhält durch § 109 die Möglichkeit, die gerichtlichen Ermittlungen zu steuern. Mit einem Antrag nach § 109 verbunden mit der Benennung eines bestimmten Arztes wird die Vorschrift des § 404 Abs.1 Satz 1 ZPO verdrängt, wonach die Auswahl der zuzuziehenden Sachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl durch das Prozessgericht erfolgt.
Neben dem Personenkreis der Behinderten sind die Versicherten, die Versorgungsberechtigten und die Hinterbliebenen antragsberechtigt, nicht jedoch die Sozialleistungsträger. Die Sozialleistungsträger haben allein die Möglichkeit, von sich aus im Verlaufe des Rechtsstreits ein - weiteres - Sachverständigengutachten in Auftrag zu geben. Umgekehrt hat allerdings auch der antragsberechtigte Personenkreis des § 109 neben dem aus dieser Vorschrift erwachsenden Recht die Möglichkeit, ein sog. Privatgutachten einzuholen und dem Gericht zur Verwertung als Urkunde vorzulegen.
In der gerichtlichen Praxis ist gelegentlich die Unterscheidung schwierig, ob ein Antrag nach § 109 gestellt ist oder ein Antrag gestellt bzw. eine Anregung formuliert wird, der/die auf die Durchführung von Ermittlungen von Amts wegen abzielt. Die bloße Anregung oder ein bloßer Vorschlag, einen bestimmten Arzt zu hören, stellt regelmäßig noch keinen Antrag nach § 109 dar (vgl. LSG Hessen, Urteil v. 6.10.1998, L 4 SB 1196/96). Hat der zuständige Richter Zweifel, so wird er nach § 106 Abs.1 vorgehen und sich den unklaren Antrag erläutern lassen. Klarheit ergibt sich oft spätestens dann, wenn der zuständige Richter in der Annahme, einen Antrag nach § 109 vor sich zu haben, nach § 109 Abs. 1 Satz 2 verfährt und einen Kostenvorschuss anfordert.
Zulässig ist es, den Antrag nach § 109 nur hilfsweise für den Fall zu stellen, dass das Gericht keine Ermittlungen nach § 103 (mehr) vornimmt bzw. der Klage nicht aus anderen Überlegungen heraus stattgibt.
Zulässig ist es auch, den Antrag darauf zu beschränken, dass ein Gutachten nach Aktenlage eingeholt werde (a.A. Meyer-Ladewig, § 109 Rn. 19). Ebenso wenig begegnet es Bedenken, wenn der Antragsteller - gleich dem im Rahmen eines nach § 103 erteilten Gutachtenauftrags untersuchten Probanden - einzelne Untersuchungen ablehnt (LSG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 25.1.2001, L 2 B 48/00). In den beiden letztgenannten Fällen handelt es sich um nichts anderes als - zulässigerweise - selbst auferlegte Antragsbeschränkungen. Der Antragsteller hat allerdings in diesen Fällen jeweils - auch insofern gleich der Sachlage bei einem von Amts wegen eingeholten Gutachten - die beweisrechtlichen Nachteile seines Verhaltens zu tragen
Unproblematisch ist es auch, wenn ein bereits früher einmal gestellter, dann aber zurückgenommener Antrag erneut gestellt wird.
Das Antragsrecht nach § 109 Abs. 1 Satz 1 gilt für jede Instanz gesondert. § 153 Abs. 1 verweist für das Berufungsverfahren auf § 109, § 165 Satz 1 für das Revisionsverfahren auf § 153, wobei wegen § 163 § 109 im Revisionsverfahren nicht bedeutsam ist.
Ein in der ersten Instanz gestellter Antrag, dem das Gericht - etwa wegen § 109 Abs. 2 - nicht stattgegeben hat, wirkt nicht in die zweite Instanz fort. Dies folgt bereits aus der Eigenständigkeit der Verfahren. Daher ist auch der Auffassung nicht zu folgen, das Antragsrecht sei verbraucht, wenn bereits in erster Instanz ein Gutachten auf demselben Fachgebiet auf Antrag und im Kostenrisiko des Versicherten eingeholt worden sei, so dass das Gericht dem wiederholenden Antrag nur stattzugeben brauche, wenn besondere Gründe dies rechtfertigten (so BSG, Urteil v. 6.5.1958, 10 RV 813/56, SozR § 109 Nr. 18; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 14.10.1998, L 2 U 688/98, HVBG-INFO 1999, 3095 ff.; LSG Schleswig-Holstein, Urteil v. 20.7.2000, L 5 U 42/99, HVBG-INFO 2000, 2732 ff.).
Das Fortwirken eines Antrags nach § 109 - innerhalb derselben Instanz - kann vom Gericht nicht unterstellt werden, wenn zwischenzeitlich Ermittlungen von Amts wegen geführt worden sind. Das Gericht wird vielmehr Nachfrage halten, ob der Antrag bekräftigt wird. Diese Nachfrage kann konkludent erfolgen, indem für das von dem benannten Arzt einzuholende Gutachten ein Kostenvorschuss angefordert wird. Wird der Kostenvorschuss eingezahlt, so ist jedenfalls damit der Antrag gestellt.
Der Antrag muss auf die gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes gerichtet sein. § 109 beinhaltet also nicht die Möglichkeit, die Anhörung eines Arztes als Zeugen über etwa in der Vergangenheit erhobene Befunde durchzusetzen.
Der zu hörende bestimmte Arzt muss nicht mit vollem Namen und voller Anschrift bezeichnet werden. Es genügt, dass er eindeutig identifizierbar ist. Treffen die Angaben in dem Antrag auf mehrere Ärzte zu, so ist der Antrag nicht wirksam gestellt. Die Formulierung, es werde Antrag nach § 109 gestellt, der zu hörende Arzt werde noch benannt, ist ebenso wenig ausreichend. Der Antrag ist vielmehr erst mit der Benennung des Arztes gestellt, was im Hinblick auf § 109 Abs. 2 bedeutsam sein kann.
Andere Personen als Ärzte, z.B. Heilpraktiker, Psychologen oder Pflegefachkräfte, unterfallen nicht dem Tatbestand des § 109. Hieran ändert sich auch nichts, wenn das Gericht zuvor von Amts wegen eine andere Person als einen Arzt mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt hatte. Der Wortlaut des § 109 ist eindeutig und keiner anderweitigen Auslegung zugänglich. Auch das in diesem Zusammenhang von Klägern bzw. deren Vertretern gelegentlich angeführte Gebot einer ”Waffengleichheit” zwischen Gericht und Kläger existiert nicht. Das Gericht ist die Institution, die den Rechtsstreit einer Entscheidung zuführt. Es ist nicht Kontrahent eines Verfahrensbeteiligten. Der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art.3 GG gebietet es nicht, einem Verfahrensbeteiligten mittelbar genau die gleichen Ermittlungsmöglichkeiten einzuräumen wie einem Gericht. Das Gericht ist zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen und hat zur Entscheidungsfindung von Amts wegen diejenigen Ermittlungen durchzuführen, die es für erforderlich hält, ohne dass hieraus eine Folgewirkung auf § 109 erwächst.
Das Wort ”ein” in § 109 Abs. 1 ist nicht i.S. eines Zahlwortes, sondern als unbestimmter Artikel zu verstehen (vgl. BSG, Urteil v. 22.6.1977, 10 RV 67/76, SozR 1500 § 109 Nr. 1; LSG Saarland, Urteil v. 22.7.1999, L 5b SB 22/98). Dies bedeutet, dass der Antragsteller grundsätzlich mehrere Ärzte, die etwa in unterschiedlichen Fachgebieten tätig sind, angeben kann. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob im Verlaufe eines Instanzverfahrens mehrmals ein Antrag nach § 109 gestellt werden kann. Das Gesetz sieht zwar insoweit ausdrücklich keine Einschränkung vor, es dürfte jedoch in einem derartigen Fall zu prüfen sein, ob der weitere Antrag nach § 109 Abs. 2 abzulehnen ist. Der Antragsteller wird genau erläutern müssen, welche Gründe maßgebend dafür waren, dass er den weiteren Antrag nicht früher gestellt hat (ähnlich im Ergebnis LSG Saarland, Urteil v. 22.7.1999, L 5b 22/98).
Ist der Antrag wirksam gestellt, so muss das Gericht den betreffenden Arzt gutachtlich hören. Sinn und Zweck des § 109 ist es allerdings allein, einem Beteiligten die Möglichkeit der Einführung eines bestimmten von ihm gewählten Beweises in den Prozess einzuräumen. § 109 gibt demgegenüber nicht das Recht, Beweis über ein schlechterdings nicht entscheidungserhebliches Beweisthema erheben zu lassen. So kommt es z.B. wegen § 135 i.V.m. § 92 SGB V nicht auf die individuelle gesundheitliche Disposition des Antragstellers, der ein alternatives Heilverfahren zu Lasten der Krankenkasse begehrt, an und es muss darüber weder nach § 103 noch nach § 109 Beweis erhoben werden.
Von der Beweisaufnahme auf Grundlage des § 109 darf ferner dann abgesehen werden, wenn das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsache bereits erwiesen, die Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig, das in Aussicht genommene Beweismittel völlig ungeeignet oder es trotz aller darauf gerichteten Anstrengungen unerreichbar ist.
Keine Aussage trifft § 109 darüber, in welcher Weise das Gericht die Ermittlung nach Maßgabe dieser Vorschrift durchzuführen hat. § 109 gibt insbesondere dem Antragsteller nicht die Möglichkeit, das Gericht zu zwingen, an den Gutachter eine ganz bestimmte Beweisfrage zu richten. Indes darf das Gericht die Ermittlung nicht durch die Stellung nichtssagender Beweisfragen ad absurdum führen. Im Regelfall wird es dem Gutachter genau dieselben Beweisfragen stellen, die es einem von Amts wegen beauftragten Gutachter stellen würde oder bereits gestellt hat, im letzteren Falle ergänzt um die Beweisfrage, an welcher Stelle der Sachverständige ggf. konkret von dem Vorgutachten abweicht und mit welcher genauen Begründung er dies tut.
Der Antragsteller hat keinen Einfluss auf die Entscheidung, ob ein schriftliches Gutachten i.S. des § 118 SGG i.V.m. § 411 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingeholt wird oder das Gutachten mündlich erstattet werden soll. Die Entscheidung hierüber obliegt allein dem Gericht. Liegt das Gutachten vor, hat der Antragsteller allerdings das Recht, die Erläuterungsbedürftigkeit des Gutachtens gem. § 411 Abs. 3 ZPO geltend zu machen. Auch insofern trifft das Gesetz keine Unterscheidung zwischen einem Gutachten nach § 103 und einem solchen nach § 109 (BSG, Urteil v. 30.4.1985, 2 RU 81/84, HVBG-INFO 1985, 14 ff.). Das Gericht hat gem. § 411 Abs. 3 ZPO nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu entscheiden, ob es das Erscheinen des Sachverständigen anordnet, damit dieser das schriftliche Gutachten erläutere.
Insgesamt hat das Gericht die Verpflichtung, die Existenz des § 109 zu respektieren und die Ermittlung so durchzuführen, als handele es sich um eine von Amts wegen durchzuführende Beweisaufnahme. Ebenso wie bei einem Gutachten von Amts wegen hat das Gericht nach § 118 i.V.m. § 404a Abs.1 ZPO die Tätigkeit des Sachverständigen zu leiten und kann das Gericht dem Sachverständigen für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen erteilen.
Über den Zeitpunkt der gutachtlichen Anhörung trifft das Gesetz ebenfalls keine Aussage. In der Praxis wird ein Gutachten nach § 109 im Regelfall erst dann eingeholt, wenn sämtliche auf der Grundlage von § 103 durchgeführten gerichtlichen Ermittlungen abgeschlossen sind. Zwingend ist dies jedoch nicht. Dem Gesetz ist eine derartige zeitliche Rangfolge nicht zu entnehmen. Insbesondere hat der Gesetzgeber an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht, dass § 109 ein ”Reaktionsmittel” des Antragstellers darstellen solle (a.A. LSG Bayern, Beschl. v. 6.12.2002, L 3 B 211/02 U, Breithaupt 2003, 152 f.).
Der von dem Antragsteller ausgewählte Arzt hat die Pflicht, das Gutachten zu erstellen, auch wenn er in der Fertigung forensischer Gutachten ungeübt ist. Es ist jedoch angebracht, dem Antragsteller einen entsprechenden Vorhalt des beauftragten Arztes zuzuleiten und anzufragen, ob unter diesen Umständen an dem Antrag festgehalten wird bzw. ob zumindest ein anderer Arzt benannt werden soll. Entsprechendes gilt, wenn etwa Arbeitsüberlastung geltend gemacht wird. Dem Antragsteller ist Gehör zu der Frage zu geben, ob ein möglicherweise mit Zwangsmitteln angereichertes zähes Verfahren bis zur Gutachtenerstattung beschritten werden soll oder ob nicht sinnvollerweise ein anderer Arzt zu beauftragen ist.
Vielleicht hilft dieser Kommentar zum § 109 ja etwas zu klären, was er bewirken kann.
Gruß von der Seenixe